Umstrittenes Wahlgesetz: Krachende Niederlage für Islamisten in Marokko

Nach einem Jahrzehnt an der Macht haben die Islamisten in Marokko bei der Parlamentswahl ersten Ergebnissen zufolge eine krachende Niederlage erlitten.

Die moderate islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) verlor demnach 90 Prozent ihrer Mandate und kam nur noch auf zwölf Sitze. Innenminister Abdelouafi Laftit verkündete die vorläufigen Ergebnisse, wie die Staatsagentur MAP berichtete. Zu der Wahl waren am Mittwoch rund 18 Millionen als Wähler registrierte Einwohner Marokkos aufgerufen.

Stärkste Kraft wurde die Zentrumspartei RNI mit 97 von insgesamt 395 Sitzen, gefolgt von der monarchistischen PAM mit 82 Sitzen. Als drittstärkste Kraft schnitt die konservativ-nationalistische Unabhängigkeitspartei (Istiqlal) ab mit nun 78 Sitzen. Vier weitere Parteien holten mehr Mandate als die seit 2011 regierende PJD. Am Donnerstag waren zunächst 96 Prozent der Stimmen gezählt.

Marokko kämpft mit Korruption und Jugendarbeitslosigkeit, die derzeit bei rund 30 Prozent liegt. Die Wirtschaft schrumpfte 2020 um schätzungsweise sieben Prozent. Das Königreich gilt als autoritär. Wichtige Entscheidungen werden von König Mohammed VI. getroffen, der nach Wahlen auch den Regierungschef der jeweiligen Mehrheitspartei sowie wichtige Minister nominiert. Seine Macht übt der König auch durch einen Ministerrat aus, dessen Vorsitzender er ist. Der Raum für Kritik am König ist in den vergangenen Jahren geschrumpft.

Mit ein Grund für den PJD-Verlust dürfte eine umstrittene Änderung im Wahlgesetz sein. Die Verteilung der Parlamentssitze wird nun nicht mehr anhand der abgegebenen Stimmen berechnet, sondern anhand der Zahl aller Wahlberechtigten. Dadurch könne keine Partei mehr als 100 Sitze gewinnen, schreibt die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, die diese Methode als weltweit «einzigartig» beschreibt. Es werde damit auch «sehr schwierig, einen klaren Sieger zu ermitteln».

Das ranghohe PJD-Mitglied Idris Al-Azmi bezeichnete das Wahlergebnis als «unbegreiflich und unerwartet». Die Partei habe zehn Jahre fleißig gearbeitet. «Wir sind in die Politik gegangen, um dem Land und den Bürgern zu dienen», sagte Al-Azmi einer Mitteilung zufolge.

In dem nordafrikanischen Land am Atlantik leben rund 36 Millionen Menschen. Nur etwa die Hälfte davon sind als Wähler registriert. An der Wahl beteiligten sich dieses Jahr etwa neun Millionen Menschen. Umfragen zufolge haben viele Marokkaner das Vertrauen in staatliche Institutionen und politische Parteien verloren. (dpa)