Ausnahme-Ramadan: Corona-Strapazen und kluge Ideen

Der strapaziöse Ramadan startet - ohne gemeinsames abendliches Fastenbrechen. Es wird hart ohne Moschee, Geselligkeit, gegenseitiges Ermutigen, sagen Muslime. Und trotzen Corona mit Mutmacher- und Solidarprojekten. Von Yuriko Wahl-Immel und Martina Herzog

Der Ausnahme-Ramadan beginnt. Ein Fastenmonat unter schwierigen Umständen und großen Einschränkungen. Viele Muslime und Moscheegemeinden in Deutschland reagieren mit kreativen Ideen und umso größerem Engagement auf die harten Corona-Auflagen.

Das allabendliche Fastenbrechen - das Iftar-Mahl wird normalerweise nach Einbruch der Dunkelheit privat in geselliger Runde oder in den Moscheegemeinden begangen - könnte wegen der Kontaktbeschränkungen diesmal für manche eine triste, einsame Sache werden. Kopf hoch, sagen Mitglieder der Ditib Zentralmoschee Wuppertal. Ihre Devise und ihr Service ab Freitag für die nächsten 30 Tage: «Wir wuppen... Iftar Delivery».

Mit diesen Aufklebern an ihren Autos fahren viele Helfer nun durch die Stadt, bringen frisch gekochte Mahlzeiten an zehn Standorte, wie Gemeinde-Sprecher Muhammed Sönmez schildert. «Das sind jeden Abend 300 Portionspakete, die Bedürftige sich abholen können - egal, ob sie Muslime sind oder nicht.» Älteren Menschen, die nicht zu einem Standort kommen können, werden die Iftar-Pakete nach Hause geliefert. Die Aktion wollen sie mit Spenden finanzieren. Sie ist mit Stadt und

Tafel abgesprochen.

«Sonst kochen wir im Ramadan in der Moschee und haben spätabends dann Hunderte bei uns zu Gast», erzählt Sönmez. «Aber jetzt müssen wir das Kochen und das Fastenbrechen ausgliedern, weil wir den Mindestabstand nicht einhalten können.» Allen sei bewusst, dass man um den schmerzlichen Verzicht nicht herumkomme. Die Frauen der Gemeinde nähten Zuhause innerhalb von drei Tagen Hunderte von Nase-Mund-Schutzmasken, mindestens 1.500 Stück wollen sie der Stadt im Ramadan übergeben.

Es werde sehr schwierig in diesem Fastenmonat, sagen die Gemeindemitglieder Suat Beyazal und Köksal Koc, die beide als «Iftar-Kuriere» im Einsatz sind. «Ohne das Beisammensein, ohne das Essen und Beten zusammen, ist es ein trauriger Ramadan», findet Koc. Aber es hilft nichts: «Der Gebetssaal bleibt geschlossen, wir beten zuhause», stellt Sönmez klar. Manche Städte haben ausnahmsweise einen täglichen Muezzinruf erlaubt. «Das ist ein schöner Trost.»

Der Ramadan 2020 werde den Muslimen besonders viel Kraft und Ausdauer abverlangen, weiß auch die islamische Religionspädagogin Lamya Kaddor. «Denn es ist der Monat der Gemeinschaft und der Solidarität. Aber jetzt ist es ein Ramadan der Kontaktsperre - und Solidarität bedeutet diesmal vor allem, sich fernzuhalten.» Geschätzte gut fünf Millionen Muslime leben in Deutschland, besonders viele in Nordrhein-Westfalen. Gläubige Muslime essen und trinken im Ramadan nur vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang.

«Der Ramadan ist ein spiritueller Monat, aber eben auch eine besondere Zeit der Lebensfreude», erläutert Kaddor vom Liberal-Islamischen Bund. «Die Muslime freuen sich darauf, zusammen zu lachen, sich auszutauschen.» Und: «Der Ramadan bringt Strapazen mit sich und leider auch die alljährliche Kritik, das Fasten sei ja so ungesund und unverantwortlich. Das ist belastend und in der Gemeinschaft besser zu ertragen. Mit dem gegenseitigen Aufmuntern wird es aber jetzt schwer.»

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, bedauert mit Blick auf das Fastenbrechen am Abend: «Das geht nur im engsten Familienkreis. Ich fürchte, das gilt auch für das Fest zum Ende des Ramadans.» Die Religionsgemeinschaften hoffen, dass es Ende des Monats zumindest Lockerungen der strengen Corona-Auflagen in Deutschland geben könnte.

Manche Muslime setzen auf noch mehr Online-Formate wie Gebete oder Predigten im Livestream. Die Berliner Ibn Rushd-Goethe Moschee – mit ihrem Islamverständnis unterscheidet sie sich von der Mehrheit der Muslime - will ihre Mitglieder ebenfalls per Livestream erreichen. «Wenn wir für unsere Gemeinde nicht körperlich anwesend sein können, wollen wir ein Programm bieten, um trotzdem in Verbindung zu bleiben», sagt Sprecherin Lea Paulina Näder.

Den Fokus legt die liberale Moschee nun auf das Thema sexuelle Vielfalt- etwa mit dem Online-Vortrag eines homosexuellen Pariser  Imam oder dem Meditationsworkshop eines Berliner Sexualpädagogen. «Auch das Gebet ist ja eine Form der Meditation», findet Näder.

In Duisburg hat die Ditib-Merkez-Moschee in Marxloh «Iftar To Go» für Bedürftige auf die Beine gestellt. Eine intensive Nachbarschaftshilfe sei in Gang, erzählt eine Sprecherin. Das Muslimische Jugendwerk berichtet über junge Helfer, die für Senioren Einkaufen gehen.

Mit Dutzenden muslimischen Mitstreitern werde man täglich einen «Ramadan-Talk» auf Instagram anbieten, sagt der Bundesvorsitzende Taner Beklen aus Dortmund. «Um in den letzten Stunden vor dem Iftar noch einmal zu motivieren und um sich gegenseitig Mut zuzusprechen in diesen ungewöhnlichen Zeiten.» (dpa)