Doppelter Deal mit Tripolis

"Wir werden weniger Illegale haben und mehr Öl" – mit diesen Worten lobpreiste Italiens Ministerpräsident Berlusconi seinen jüngsten politischen Tauschhandel mit Libyens Revolutionsführer Gaddafi. Über die Hintergründe des neuen "Freundschaftspakts" informiert Bernhard Schmid.

"Wir werden weniger Illegale haben und mehr Öl" – mit diesen Worten lobpreiste Italiens Ministerpräsident Berlusconi seinen jüngsten politischen Tauschhandel mit Libyens Revolutionsführer Gaddafi. Über die Hintergründe des neuen libysch-italienischen "Freundschaftspakts" informiert Bernhard Schmid.

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi bei Muammar Gaddafi in Libyen; Foto: AP
In dem Ende August geschlossenen "Freundschaftspakt"</wbr> beider Staaten verpflichtet sich Italien zur Zahlung von fünf Milliarden US-Dollar an Libyen als Entschädigung für die Kolonialzeit.

​​Dieses Mal hat sich niemand beim Staatsbesuch schlecht benommen. Manchmal schaffen es ja sogar ausgesprochen rechtslastige Politiker, anstatt herumzupoltern, mit der diplomatisch gebotenen Gewandtheit aufzutreten. Dies trifft auch auf Silvio Berlusconis jüngsten Besuch in Libyen zu.

Zwar ist Italiens umstrittener Premierminister nicht unbedingt für seine guten Manieren in der Politik bekannt – und für seine rechten Koalitionspartner von der Alleanza Nazionale (AN) und Lega Nord gilt dies erst recht.

Nun aber tat Berlusconi während seines Besuchs am 30. August in Libyen einen Schritt, den Kritiker von ihm wohl nicht erwartet hätten: Er entschuldigte sich offiziell für die von Italien in Nordafrika begangenen Kriegsverbrechen.

Symbolpolitik aus wirtschaftlichem Kalkül

In Frankreich dagegen weigert man sich, dem italienischen Beispiel zu folgen und Verantwortung für die eigenen Kriegs- und Kolonialverbrechen in Libyens Nachbarland Algerien zu übernehmen.

Die jüngst getroffene Vereinbarung zwischen Rom und Tripolis, so reagierte ein Sprecher des französischen Außenministeriums, Eric Chevalier, hänge mit einem "Sonderaspekt der bilateralen Beziehung zwischen Italien und Libyen" zusammen. Nichts davon könne beispielsweise auf die französisch-algerische Geschichte übertragen werden.

Nun mag diese Entschuldigung das Ende der langjährigen offiziellen Verdrängung der während der Kolonialzeit begangenen Verbrechen bedeuten und zum Teil positiv erscheinen. Doch lassen sich die Schattenseiten nicht leugnen.

"Eintrittskarte" für Libyens Volksmassenstaat

Denn weder erfolgte Berlusconis Geste primär aus humanistischen Erwägungen, noch blieb diese ohne handfeste politische Gegenleistung. Diente Berlusconi das späte Schuldeingeständnis doch eher als "Eintrittskarte", um mit Libyen einen doppelten "Deal" einzufädeln: Auf der einen Seite steht eine verstärkte Präsenz italienischer Wirtschaftsunternehmen im libyschen Erdöl- und Erdgassektor.

Andererseits hat die neu proklamierte italienisch-libysche "Partnerschaft" aber auch die Funktion, die für Italien und Europa als "unerwünscht" geltenden afrikanischen Migranten davon abzuhalten, das Mittelmeer zu überqueren.

Zum ersten Mal akzeptiert Libyen nun gemeinsame Patrouillen mit Italienern im Mittelmeer. Und der nordafrikanische Staat stimmte auch einer Überwachung seiner Saharagrenze per Satellit zu. Menschen aus allen subsaharischen Ländern nehmen oft lange Wege durch Wüstengebiete in Kauf, um später einmal in Europa anzukommen und dort ihr Glück zu versuchen. Dabei riskieren sie oft ihr Leben.

Libyen als neue Außengrenze der Schengenstaaten

Libyens Oberst Gaddafi, der sich allzu gern als "Held der afrikanischen Einheit" aufspielt, sofern er sich nicht als vermeintlicher Einiger aller Araber geriert, macht sich damit zum willigen Hilfspolizisten der europäischen Staaten gegen unerbetene Zuwanderer.

Eine Haltung, die durchaus zu seinen verbalen Attitüden im Widerspruch steht: Denn noch im Dezember 2007 hatte sich Gaddafi während seines Besuchs bei Präsident Sarkozy in Paris lautstark darüber beschwert, auf welch "unmenschliche Art und Weise Europa die illegalen Einwanderer behandelt".

Acht große Auffanglager sollen bereits in Libyen existieren, in denen Migranten festgehalten werden. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten sind dort Willkür und rechtsstaatliche Übertretungen an der Tagesordnung.

Zudem sollen derzeit rund 60.000 Personen in libyschen Gefängnissen in Haft sitzen. Ihnen wird vorgeworfen den Versuch unternommen zu haben, "illegal ausgewandert und die libysche Außengrenze übertreten zu haben".

Libyen ist der erste Staat, der sich in direkter Form in das Migrations- und Sicherheitsregime der Europäischen Union an deren Außengrenzen einbinden lässt. Weitere Maghrebländer dürften folgen. Erst in den letzten Wochen hat Algerien das Delikt "illegalen Ausreise" in seinem Strafgesetzbuch eingeführt.

Bernhard Schmid

© Qantara.de 2008

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