Der Traum vom Sahara-Strom

Es klingt wie eine fixe Idee, ist technisch aber machbar: Solarthermische Kraftwerke in der Sahara könnten Europa komplett mit Strom versorgen und damit sämtliche Energie- und Klimasorgen der Europäer beseitigen. Also, wo liegt der Haken? Steffen Leidel berichtet

Tuareg in der Sahara; Foto: dpa
Die Sahara ist karg und geizt mit natürlichen Ressourcen. Dafür gibt es Sonne satt. Forscher und Entwickler versuchen, diese Tatsache energietechnisch zu verwerten.

​​Solange die Sonne scheint, hat die Welt kein Energieproblem, zumindest theoretisch. Sechs Stunden Sonnenschein auf die Wüstenregionen der Welt reichen aus, um den Weltenergiebedarf eines ganzen Jahres zu decken.

Und schon seit mehr als 20 Jahren träumen Wissenschaftler davon, die unentwegt brennende Wüstensonne als Stromlieferant nutzbar zu machenFertige Konzepte dazu gibt es bereits. 2003 legte der Club of Rome erstmals das Konzept Desertec vor.

Die Vision: Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas erzeugen mit Hilfe alternativer Energiequellen wie solarthermische Kraftwerke und Windparks Strom, zunächst für die Produzenten-Staaten selbst. Ab 2020 soll dieser Strom auch nach Europa exportiert werden.

Kaum Leitungsverluste

Nach Berechnungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) müssten bis 2050 rund 400 Milliarden Dollar investiert werden, um 15 Prozent der Stromversorgung Europas über solarthermische Kraftwerke zu decken.

"Das klingt nach viel. Die Investitions- und Betriebskosten für die solarthermischen Kraftwerke gerechnet pro Kilowattstunde wären aber bis dahin niedriger als bei Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen", sagt Hans Müller-Steinhagen von dem DLR angegliederten Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart.

Technisch gesehen sei es kein Problem, den Strom nach Europa zu leiten, sagt der Experte. Der Sonnenstrom würde nicht als Wechsel-, sondern als Gleichstrom über das Mittelmeer geleitet. Die Verluste auf dem Weg seien dabei wesentlich geringer als bei klassischen Hochspannungsleitungen.

Sonnenenergie auch nachts

Parabol-Spiegel des Projektes Andasol in Südspanien; Foto: DW/Leidel
Das erste von drei solarthermischen Kraftwerken, die zuzeit bei Granada entstehen, soll noch dieses Jahr in Betrieb gehen und 200.000 Menschen mit Strom versorgen.

​​In solarthermischen Kraftwerken wird im Gegensatz zu Photovoltaik die Sonnenenergie nicht direkt in Strom, sondern zunächst in Wärme umgewandelt. Hierfür hat sich die so genannte Parabolrinnentechnologie durchgesetzt.

Großflächige Parabolspiegel bündeln die Sonnenstrahlen auf ein so genanntes Absorberrohr, in dem ein spezielles Thermoöl auf bis zu 400 Grad erhitzt wird. Das heiße Öl wird dann genutzt, um Wasserdampf zu erzeugen, der Turbinen zur Stromerzeugung antreibt.

Der Vorteil zur Photovoltaik ist, dass solarthermische Anlagen mit Hilfe von speziellen Wärmespeichern auch nachts Strom liefern, wenn die Sonne nicht mehr scheint.

Die Leistung von solchen Anlagen ist beachtlich. Um den Strombedarf von ganz Deutschland zu decken, würde ein Kraftwerk mit einer Fläche von 40 mal 40 Kilometern ausreichen .

Spanien ist Nummer 1

Die Solarthermie erlebt derzeit einen Boom. Derzeit gebe es weltweit 80 Projekte für den Bau solcher Sonnenkraftwerke, sagt Lars Waldmann, Sprecher von Schott Solar.

Die Firma aus dem unterfränkischen Alzenau ist Weltmarktführer für Absorberrohre. Die wichtigsten Märkte sind die USA und vor allem Spanien, wo es derzeit rund 30 Projekte für solarthermische Anlagen gibt.

Schott liefert Absorberrohre auch für das weltweit größte Projekt. Bei Granada in Südspanien entstehen derzeit drei solarthermische Kraftwerke.

Parabolspiegel; Foto: DW/Leidel
Für das erste Andasol-Projekt mussten 260 Millionen Euro investiert werden

​​Das erste soll noch in diesem Jahr in Betrieb gehen und 200.000 Menschen mit Strom versorgen. "In Spanien existiert eine hervorragende Infrastruktur für Solarthermie", sagt Waldmann.

Auslöser für den Boom war die gesetzlich garantierte Einspeisevergütung von rund 20 Cent pro Kilowattstunde.

Erste Projekte in Nordafrika

Solche Bedingungen gibt es in Nordafrika noch nicht. Allerdings sieht Waldmann dort künftig ein großes Potential für solarthermische Kraftwerke.

Die Fühler nach Marokko sind ausgestreckt. "Es gibt Gespräche und relativ konkrete Planung, auch wenn es noch keinen Spatenstich gibt", sagt Waldmann.

Dabei haben neben Marokko, auch Algerien, Libyen und Ägypten Interesse an der Solarthermie gezeigt. Erste Kraftwerke werden bereits gebaut, so der DLR-Experte Müller-Steinhagen.

"Es ist für diese Länder ja ein Zukunftsmarkt. Sie sichern ihre eigene Stromversorgung, können irgendwann exportieren. Außerdem lassen sich solarthermische Anlagen mit der Meerwasserentsalzung koppeln", sagt Müller-Steinhagen.

Doch ein großes Hindernis bleibt. Für den Bau von Sonnenkraftwerken sind enorme Anfangsinvestitionen nötig: "Es ist, wie wenn sie heute ein Kohlekraftwerk bauen und gleichzeitig noch die Kohle für die nächsten 25 Jahre dazu kaufen müssen", sagt Müller-Steinhagen.

Solarturm auf dem DLR-Testgelände bei Almeria; Foto: DW/Leidel
Die Sonnenstrahlen werden auf den obersten Punkt des Solarturms gebündelt und erzeugen so einen Aufwind, der die Turbinen antreibt.

​​Diese Investitionen könnten von diesen Ländern nicht allein getragen werden. Insofern gibt es noch politischen und wirtschaftlichen Klärungsbedarf, meint auch Winfried Speitkamp, Afrikaexperte von der Uni-Gießen und Mitorganisator einer interdisziplinären Arbeitsgruppe zur Solarenergie-Partnerschaft mit Afrika.

Er sieht vor allem die geplante Mittelmeerunion in der Pflicht, für das Thema eine gemeinsame Linie zu erarbeiten. Dabei müssten auch soziale und kulturelle Aspekte berücksichtig werden.

"Sobald sich der Eindruck bestärkt, dass man mit Sonnenenergie Geld verdienen kann, drohen Konflikte." In der Beziehung gebe es zwischen Sonne und Erdöl keinen Unterschied.

Steffen Leidel

© Deutsche Welle 2008

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