Eine Art christliches Woodstock: Millionen Pilger feiern Mariä Himmelfahrt im ägyptischen Dronka

Menschenmassen schieben sich durch die engen, ungeteerten Gassen im oberägyptischen Deir Dronka. Das sonst so beschauliche Dorf wird zu Mariä Himmelfahrt zu einer Art christlichem Woodstock.

Dronka ist ein verschlafenes Nest. Ein paar tausend Einwohner teilen sich mit ihrem Vieh die ungeteerten Gassen. Nur einmal im Jahr verwandelt sich das christliche Dorf zehn Kilometer südlich von Assiut zur religiösen Metropole. Immer zu Mariä Himmelfahrt strömen innerhalb von zwei Wochen Millionen Pilger aus ganz Ägypten in die beiden Klöster des Dorfes. Am Festtag selbst, der nach orthodoxem Kalender am 22. August gefeiert wird, herrscht ein Gedränge wie kurz vor einer Massenpanik.

Den Berg hinauf zieht sich das koptisch-orthodoxe Marienkloster, unweit der Höhle, die der Heiligen Familie bei ihrem Weg zurück ins Heilige Land als Schlafstatt gedient haben soll. Ein paar hundert Meter darunter: der katholisch-koptische Franziskanerkonvent, ebenfalls Maria gewidmet und auch eine Wallfahrtsstätte. "Wir Katholiken besuchen beide Orte", sagt Yassir, der als Fahrer am Bischofssitz in Assiut arbeitet. "Die Orthodoxen bleiben eher unter sich."

Im katholischen Kloster gehört der Mariä-Himmelfahrts-Tag der Jugend. Ausgelassen schultern junge Männer Tragen mit bunt geschmückten Marienstatuen, während Freiwillige von oben mit überdimensionierten Klingelbeuteln in der Menge nach Kollekten fischen. Unter nahezu ekstatischem Trommelklang drehen sie ihre Runden durch die Menge und später durch das Dorf. Mehr als einmal gerät dabei die hölzerne Maria gefährlich in Schieflage. Wasser, von Dorfbewohnern auf die tobende Menge gespritzt, kühlt die Gemüter kaum. Die staubigen Gassen verwandelt die Wasserschlacht in eine Art christliches Woodstock.

Mag in den Klöstern Konfessionstrennung herrschen, das Dorf dazwischen zieht alle an: Orthodoxe, Katholiken, Muslime. Entlang der Andenkenläden und Garküchen, Süßigkeiten- und Spielzeugverkäufer drängen sich verschwitzte und von der volksfestähnlichen Stimmung aufgeheizte Menschen. Dazwischen: Tätowierer, die eifrig Kreuze und andere religiöse Motive stechen. Zwei Wochen Arbeit an Mariä Himmelfahrt, sagt einer von ihnen, ermögliche es ihm, seine Kinder in Kairo in die Schule zu schicken.

Das koptische Kreuz zwischen Daumen und Zeigefinger oder innen am Handgelenk der rechten Hand gilt als sicheres Erkennungsmerkmal der einheimischen Christen - so dass es mitunter zum Passierschein an der Sicherheitsschleuse wird. Straßenblockaden und Metalldetektoren an allen Zuwegen sollen zusätzlich für Sicherheit sorgen. Die Terrordrohungen vergangener Jahre und wiederholte Anschläge gegen Christen in verschiedenen Landesteilen fordern ihren Tribut.

Der Stimmung der Pilger tut dies keinen Abbruch. Laut und energisch feiern sie ihren Glauben, ziehen jeden Abend in Prozession durch das Dorf, drängen sich zu den verschiedenen Kapellen und Marienstatuen für ein stilles Gebet oder ein Gelübde und lassen ein paar gefaltete Geldscheine hinter die Absperrungen fallen.

Wer des Wallfahrens müde ist, sucht sich ein Plätzchen im Schatten einer der engen Gassen oder schlägt seine Stoffbahnen rund um eines der Klöster auf. Viele Pilger, sagt Yassir, kommen für mehrere Tage, manche auch für die gesamten zwei Wochen. Und viele, die heute in Alexandria oder Kairo leben, kommen ursprünglich aus Dronka. "Es ist mein Dorf, meine Familie, mein Fest!", sagt etwa der Franziskaner Youhanna, der jedes Jahr zu dieser Zeit aus Luxor in seinen Geburtsort kommt.

"Die Stimmung ist immer besonders", sagt Faiez Ata. Auch seine Familie stammt ursprünglich aus Dronka und lebt jetzt in Kairo. Für das Fest, das an diesem Mittwoch endet, muss es einfach die alte Heimat sein. "Viele hier sind arm, aber die zwei Wochen geben ihnen die Gelegenheit, rauszukommen aus dem Alltag und Zeit für sich selber zu haben. Es ist wunderbar, die Menschen so glücklich zu sehen", sagt der 26-Jährige.

Faiez' Schwester Samar stimmt ihm zu. Die Krankenschwester engagiert sich während des Fests als Freiwillige im Kloster und ist froh um "diese andere Erfahrung". Mariä Himmelfahrt in Deir Dronka, sagt sie, "ist eine Zeit für das Herz". (KNA)