Kurdenparlament im Nordirak setzt Referendum über Unabhängigkeit fest

Gegen den Willen der irakischen Zentralregierung hat das Parlament der autonomen Kurdenregion im Nordirak ein Referendum über die Unabhängigkeit angesetzt. Die anwesenden Abgeordneten bestimmten am Freitag in Erbil mit großer Mehrheit den 25. September als Termin für die Volksabstimmung, die zu einer Loslösung vom Irak und zur Errichtung eines eigenen Kurdenstaates führen soll. Die USA - ein langjähriger Verbündeter der Kurden im Nordirak - forderten eine Absage des Referendums.

Mit dem Votum für das Referendum setzten sich die Abgeordneten über Kritik aus Washington und Bagdad sowie aus den Nachbarländern Türkei und Iran hinweg. 65 der anwesenden 68 Abgeordneten stimmten für das Vorhaben. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Nach dem Votum erhoben sich die Parlamentarier von ihren Sitzen und stimmten die Kurdenhymne an. Mehrere schwenkten unter Beifall kurdische Fahnen.

Die US-Regierung sieht in dem Referendum zum jetzigen Zeitpunkt ein Hindernis für den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), an dem auch Kurden beteiligt sind. Nach dem Votum in Erbil forderte das Weiße Haus umgehend einen Verzicht auf das Referendum, das "von den Bemühungen zum Sieg über den IS und zur Stabilisierung befreiter Gebiete ablenkt", wie es in einer Erklärung in Washington hieß.

Die USA und andere Staaten hatten dem Präsidenten der Kurdenregion, Massud Barsani, am Donnerstag einen Vorschlag zur Verschiebung des Volksentscheids unterbreitet. Er basiert auf einer Ausweitung der kurdischen Autonomie. Der Kurdenpräsident erklärte, dass er sich "rasch" zu dem Vorschlag äußern werde.

Der Volksentscheid über die Abspaltung der Region wird auch von Iraks Zentralregierung entschieden bekämpft. Erst am Dienstag hatte sich das Parlament in Bagdad gegen das Referendum ausgesprochen. Auch die Nachbarn Türkei und Iran lehnen das Referendum ab. Sie befürchten, dass sich ihre eigenen kurdischen Minderheiten ermutigt fühlen könnten, ebenfalls die Unabhängigkeit anzustreben.

Großes Konfliktpotenzial im Zusammenhang mit dem Referendum hat der Streit zwischen Iraks Kurden und Arabern um die ölreiche Provinz Kirkuk. Sie untersteht der Zentralregierung in Bagdad, wird aber auch von der Kurdenregion beansprucht. Neben Kurden wohnen dort auch große arabische Bevölkerungsgruppen. Die Regionalbehörden in Kirkuk wollen sich an dem Referendum beteiligen.

In der Erklärung des Weißen Hauses vom Freitag stieß dies auf scharfe Kritik. "Die Abhaltung des Referendums in umstrittenen Gebieten ist besonders provokativ und destabilisierend", hieß es in Washington.

Das geplante Referendum ist rechtlich nicht bindend. Eine Mehrheit für die Unabhängigkeit würde nicht automatisch zur Abspaltung der nordirakischen Kurdenregion führen, die seit 1991 über weitreichende Autonomie verfügt. Es würde aber die Verhandlungsposition von Kurdenpräsident Barsani gegenüber der Zentralregierung in Bagdad sowie seine Stellung gegenüber seinen Rivalen stärken. (AFP)