Zweifelhafter Frieden

Von der Weltgemeinschaft weitgehend unbemerkt tobt im Jemen seit Jahren ein Bürgerkrieg. In der Sa'ada-Region kämpfen Rebellen gegen die Zentralregierung – ein Konflikt der sich immer mehr zu einem Stellvertreterkrieg entwickelt. Von Hanna Labonté

Von der Weltgemeinschaft weitgehend unbemerkt tobt im Jemen seit Jahren ein Bürgerkrieg. In der nordjemenitischen Sa'ada-Region kämpfen Rebellen gegen die Zentralregierung – ein Konflikt der sich immer mehr zu einem Stellvertreterkrieg um regionale Vormachtstellung entwickelt. Von Hanna Labonté

Als am 8. August der jemenitische Rebellenführer Abdul Malak al-Houthi einem Friedensangebot der Regierung in Sana'a zustimmte, ging dies, ähnlich wie die Kämpfe der letzten fünf Monate, im allgemeinen Olympia-Fieber unter.

Der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh hatte pünktlich zu seinem 30-jährigen Amtsjubiläum am 17. Juli völlig überraschend und ohne Begründung die Kämpfe für beendet erklärt, während die Rebellen im Norden noch am Tag vorher von heftigen Gefechten berichteten. Seitdem ist die Situation bis auf kleine Zwischenfälle weitgehend ruhig.

Was genau dieses Friedensangebot beinhaltete und worauf sich die Konfliktparteien einigten, bleibt weitgehend ungeklärt. Und darin liegt wohl auch die Krux.

Erneutes Scheitern der katarischen Intervention

Der Konflikt zwischen den zaiditisch-schiitischen Anhängern al-Houthis, die in der Region "Sa'ada", im jemenitisch-saudischen Grenzgebiet leben, und der Regierung in Sana'a tobt mit kurzen Unterbrechungen seit 2004. Die Zentralregierung in Sana'a wirft den Rebellen vor, dass diese das zaiditische Imamat, das bis 1962 den Nordjemen regierte, wieder errichten wollten und sieht sich in ihrer Existenz bedroht.

Die Forderungen der "Houthis" sind nicht klar. Mal fordern sie ein "Ende der Diskriminierung" ihrer Gemeinschaft, mal die Freilassung von Gefangenen, mal skandieren sie Hass-Parolen gegen Israel und die USA.

Im April diesen Jahres war der Konflikt zwischen den Houthi-Rebellen im Nordjemen und den Regierungstruppen, nach mehr als vier Jahren unterbrochener Kämpfe, erneut entbrannt und hatte sich zuletzt bis ca. 20 Kilometer außerhalb der Hauptstadt Sana'a ausgeweitet.

Zuvor hatte es nach einer Intervention Katars, das zunehmend als Vermittler in der Region verstanden werden möchte, zunächst so ausgesehen, als könne es endlich zu einer friedlichen Lösung kommen. Ende 2007 war ein Vermittlungsversuch noch gescheitert, aber die Mitte Februar 2008 getroffene zweite "Doha-Deklaration" und die folgenden Besuche einiger katarischer Delegationen führte zu einem Ende der Kämpfe, die dezentral in der nordjemenitischen Sa'ada-Region stattfanden.

Mitte April diesen Jahres brachen sie jedoch erneut und verstärkt los, nachdem ein hochrangiger jemenitischer Offizier in einen Hinterhalt der Rebellen geraten war; die katarische Delegation gab daraufhin auf und reiste ab.

Stattdessen weitete sich der Krieg auch in andere Regionen des Nordjemen aus, was nicht zuletzt daran lag, das die Regierung den Konflikt mithilfe von nordjemenitischen Stammestruppen bekämpfen wollte, wodurch neue, unter anderem territoriale Interessen der Stämme den Fortgang des Krieges beeinflussten.

Auch jetzt, wo der Krieg offiziell beendet ist, haben die bestehenden tribalen und finanziellen Interessen der im Konflikt involvierten Nordstämme und der Armee-Oberen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit des Friedens.

Religiös, politisch und tribal

Ob es sich im jemenitischen Konflikt um einen religiösen, einen politischen oder einen tribalen Konflikt handelt, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Houthi-Rebellen sind vor allem schiitische Zaiditen, während die regierende Mehrheit im Jemen, mit Ausnahme des ebenfalls zaiditischen Präsidenten Saleh, Sunniten sind.

Die Regierung des Jemen ist darauf bedacht, die religiöse Einheit des Landes zu betonen. So glauben die meisten Jemeniten, dass sich der Anteil von Schiiten und Sunniten an der Bevölkerung nahezu die Waage hält. Jedoch stellen die Sunniten de facto etwa 70 Prozent der Bevölkerung.

Als Ende 2007 die Kämpfe kurz vor dem islamischen Opferfest erneut aufflammten, berichteten die jemenitischen Zeitungen erstmal von sunnitischen Befehlshabern der Armee, welche die zaiditischen Houthi-Rebellen als Häretiker und Ungläubige beschimpften und daher Anlass zum Heiligen Krieg sahen. Die Regierung steuerte zwar schnell dagegen, der bittere Nachgeschmack blieb dennoch.

Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran?

Schließlich beschuldigen sich die Konfliktparteien gegenseitig, sie würden finanzielle Hilfe anderer Staaten erhalten. Auffällig ist, dass Saudi-Arabien und der Jemen – Erzfeinde seit dem jemenitisch-saudischen Krieg 1934 und den seither nicht endenden Grenzstreitigkeiten – momentan erstaunlich gute diplomatische Beziehungen hegen.

Dass das wahabitische Saudi-Arabien kein Interesse an einem schiitischen Aufstand an seiner ohnehin unruhigen Südgrenze hat, liegt auf der Hand, zumal man die eigene schiitische Minderheit im Blick hat. Es ist wahrscheinlich, dass wahabitische Geldgeber religiöse Institutionen im Jemen großzügig mit finanziellen und materiellen Ressourcen ausstatten – und im Gegenzug ihre Schia-kritische Islamauslegung propagiert sehen wollen.

Ebenso ist der Vorwurf, die Houthi-Rebellen seien unter anderem vom Iran unterstützt, sicher nicht ganz aus der Luft gegriffen. Zwar liegen keinerlei Beweise für eine finanzielle Mitwirkung des Irans vor, aber schiitische Gelehrte riefen zur Unterstützung der Houthis auf.

Saudi-Arabien will einen wachsenden Einfluss Irans im Süden der Halbinsel aber um jeden Preis verhindern. Der jemenitische Jurist Ahmed Saif Hashed spricht daher gegenüber der Washington Post von einem Stellvertreterkrieg, den die beiden Länder, die um die Vormachtstellung in der islamischen Welt bemüht sind, kämpfen.

Vom Krieg gezeichnete Region

Ali Abdullah Saleh; Foto: AP
Trotz gelegentlicher Rücktritts-Ankündigungen regiert der ehemalige General Ali Abdullah Saleh den Jemen seit 30 Jahren.

​​Die Menschen im Jemen, insbesondere in der stark umkämpften Sa'ada Region, die vormals im Verhältnis zum Rest des Landes recht wohlhabend waren, leiden am meisten unter der Situation. Ein von der Regierung eingesetztes Komitee besuchte in der letzten Woche das Gebiet und bestätigte unter anderem die Zerstörung von über 4.000 Häuern und Farmen, von 116 Schulen und 36 Gesundheitszentren. Durch die zerstörten Farmen bedrohen Hunger – und in der Folge – Krankheiten die Bevölkerung.

Fraglich bleibt, ob der fünfte Friedensschluss hält. Das hängt nach Meinung von Experten von verschiedenen Aspekten ab. Einerseits davon, wie gut die schwache Zentralregierung die Nordstämme und das eigene Militär im Griff behält. Andererseits, aber auch von den Vereinbarungen, die im Friedensvertrag beinhaltet sind.

Sollte der Konflikt erneut ausbrechen, könnte er blutiger werden als bisher: Denn die Houthi-Rebellen haben im letzten Krieg die "Vorteile" einer regionalen Ausweitung des Konflikts über die Grenzen Sa'adas kennengelernt.

Es ist wahrscheinlich, dass die Situation bis zu den Wahlen im April 2009 ruhig bleibt. Sollte man diese Zeit in die Sicherung des Friedens investieren, stehen die Chancen für eine dauerhafte Lösung nicht schlecht.

Hanna Labonté

© Qantara.de 2008

Qantara.de

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