Michael Kiefer: Aufbau muslimischer Wohlfahrtspflege braucht Zeit

Die Ansätze, muslimische Strukturen in der deutschen Wohlfahrtspflege zu schaffen, sind noch jung. Doch erste Modellprojekte laufen bereits. Das zeige, "dass in den klassischen Feldern der Wohlfahrtspflege bald auch Muslime mit Trägerstrukturen präsent sein werden", sagte Michael Kiefer vom Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück.

Doch der Aufbau dieser speziellen Angebote stelle die Akteure "vor komplexe Herausforderungen, deren Bewältigung viel Zeit in Anspruch nehmen wird".

Wer in den urbanen Siedlungsräumen Ausschau halte nach muslimischen Kindergärten, Seniorenzentren oder Beratungsstellen, werde in der Regel nicht fündig, erläuterte der Experte. Vereinzelt gebe es Angebote muslimischer ambulanter Pflege. "Von Muslimen geführte Trägereinrichtungen haben einen Seltenheitswert und so verwundert es nicht, dass es in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege seit Jahrzehnten keine signifikanten Veränderungen gegeben hat. "

Die Gründe für das Fehlen muslimischer Verbandsstrukturen seien vielfältig, sagte der Leiter der Post-doc-Gruppe Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. Eine Ursache sieht Kiefer in den muslimischen Gemeinschaften selbst: "Anders als bei den christlichen Religionsgemeinschaften kennen Muslime keine institutionellen Strukturen. Das hat vor allem theologische Gründe. Im Islam ist das Verhältnis des Gläubigen zu Gott unmittelbar bestimmt. Eine kirchenähnliche Struktur mit Priesterschaft ist daher nicht erforderlich. "

Hinzu komme die hohe Heterogenität unter den Muslimen. "Im öffentlichen Raum sprechen die muslimischen Gemeinden mit vielen Stimmen. Eine klare und repräsentative Vertretungsstruktur gibt es nicht", betonte der Fachmann.

Trotz dieser Schwierigkeiten liefen seit rund fünf Jahren Aktivitäten, die auf den schrittweisen Aufbau einer muslimischen Wohlfahrtspflege zielten. So wurde 2015 ein Modellprojekt gestartet, in dem der Paritätische Wohlfahrtsverband in Kooperation mit muslimischen Verbänden Strukturen einer islamischen Wohlfahrtspflege in Köln und Wuppertal aufbauen soll. Ziel des Projektes sei die Professionalisierung der Jugendarbeit in den Gemeinden.

Auch in der Bildungspolitik gebe es richtungsweisende Ansätze, sagte Kiefer. Im Kontext der Förderung der Zentren für Islamische Theologie erhält die Universität Osnabrück 2,8 Millionen Euro für den neuen Studiengang "Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft". Ab dem Wintersemester 2019/20 könnten Studierende die Fächer "Soziale Arbeit" und "Islamische Theologie" kombinieren: "Damit werden erstmalig in Europa Fachkräfte für eine muslimische Soziale Arbeit ausgebildet." (epd)