Ein ungehobener Schatz

Die arabische Literatur führt auf dem deutschen Buchmarkt ein Schattendasein. Nach dem 11. September 2001 stieg das Interesse an, verebbte in den folgenden Jahren aber wieder. Kersten Knipp informiert.

Die arabische Literatur führt auf dem deutschen Buchmarkt ein Schattendasein. Nach dem 11. September 2001 stieg das Interesse an, verebbte in den folgenden Jahren aber wieder. Kersten Knipp berichtet über die Hintergründe eines eher mühsamen Kulturaustauschs.

Buchmesse in Abu Dhabi 2010; Foto: Abu Dhabi Book Fair/DW
Hürden für die arabische Literatur bleiben nach wie vor die schwierige Situation der arabischen Buchmärkte und das vergleichsweise geringe Interesse des deutschen Publikums, schreibt Knipp.

​​ Der deutsche Buchhandel ist einer der größten und produktivsten weltweit. Und so sieht sich die aus dem Arabischen übersetzte Literatur harter Konkurrenz gegenüber.

So fiel im Jahr 2007 der Löwenanteil der Übersetzungen aus anderen Sprachen an die USA: Aus dem nordamerikanischen Sprachraum wurden knapp 1.800 Titel übersetzt. Auf den zweiten Platz kam die englische Literatur mit knapp 1.400 Titeln. Auf den dritten kam die französische mit 480, auf den vierten die italienische mit 171 Titeln.

Die arabische Literatur wird in der Statistik des Deutschen Buchhandels gar nicht eigens aufgeführt. Sie firmiert unter "Literatur in anderen Sprachen". Die kamen insgesamt auf 540 Titel.

Insgesamt befindet sich das Arabische aber weit abgeschlagen. Es gibt zahlreiche Sprachen, aus denen mehr übersetzt wird. Dazu gehören außer den genannten nahezu alle großen und nicht so "großen" Sprachen: Chinesisch, Japanisch, Russisch, Spanisch, Portugiesisch, Polnisch, Tschechisch, Katalanisch und Hebräisch.

Arabische Literaturstars gesucht

Wenn man auf die absolute Zahlen schaut, ergibt sich für die arabische Literatur folgendes Bild: Im Jahr 2003 wurden 70 Titel aus dem Arabischen übersetzt. Ein Jahr später waren es 44 Titel, im Jahr 2005 dann 28 Titel, 2006 wurden 38 Bücher übersetzt, 2007 dann 37 Titel. Was kann man aus diesen Zahlen folgern?

Zyniker würden sagen, dass der 11. September für die arabische Literatur ein gewaltiges Kaufargument war. Je weiter die Anschläge in den Hintergrund rückten, desto weniger Bücher wurden auch wieder verkauft.

Naguib Mahfuz; Foto: dpa
Zu den wenigen bekannten arabischen Autoren in Deutschland zählt der ägyptische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Naguib Mahfuz.

​​ Es gibt aber noch weitere Gründe, warum so wenig aus dem Arabischen übersetzt wird. So ist die arabische Literatur insgesamt in Deutschland wenig bekannt. Es gibt nur wenige in Deutschland bekannte arabische Autoren.

Zu den bekanntesten zählen Nagib Machfus, Tahar Ben Jelloun, Assia Djebar, Yasmina Khadra, Amin Malouf, Mahmoud Darwish und seit einiger Zeit auch Alaa Al Aswani. Und sicher ist es kein Zufall, dass die meisten dieser Autoren ihre Werke nicht auf Arabisch, sondern Französisch veröffentlichen.

"Weitere Gründe", so der in Köln arbeitende Verleger Abdul Rahman Al Alawi, "sind die Vorurteile gegenüber dem arabischen/islamischen Kulturkreis und negative Schlagzeilen wie der islamische Fundamentalismus, der Terrorismus, die fehlende Demokratie und Meinungsfreiheit sowie die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu nennen."

Dies führe dazu, so Al Alawi, dass einige der in Deutschland übertragenen Werke vorrangig Klischees und Vorurteile bedienten – abgesehen von einigen wenigen Büchern, die von engagierten Übersetzern und Agenturen auf den deutschen Buchmarkt gebracht würden.

Schwierigkeiten des arabischen Literaturmarkts

Weitere Schwierigkeiten für den Übersetzungstransfer liegen vor allem in der arabischen Welt selbst. So haben nur wenige Verlage internationale Kontakte. Zudem werden arabische Bücher kaum lektoriert. Dies bedeutet entsprechende Mehrarbeit für die Übersetzer in andere Sprachen.

Verleger Al Alawi; Foto: Alawi-Verlag
Verleger Al Alawi: "Für die arabischen Verlage fehlt der finanzielle Anreiz, literarische Werke auf dem Weltmarkt abzusetzen."

​​ Al Alwawi weist außerdem darauf hin, dass die Urheberrechte in der arabischen Welt vorwiegend bei den Autoren bleiben, die über die Weiterverwertung ihrer Werke verfügten. "Für die arabischen Verlage fehlt damit der finanzielle Anreiz, literarische Werke auf dem Weltmarkt abzusetzen. Eine direkte Zusammenarbeit zwischen arabischen und deutschen Verlegern konnte daher nicht entstehen."

Auf die Frage, was aus dem Arabischen übersetzt wird, antwortete Peter Ripken, der im Jahr 2004 seitens der Frankfurter Buchmesse die arabische Welt als Ehrengast jenes Jahres betreute, übertragen werde vor allem das, was unserem Bild der arabischen Wellt entspreche. Leicht hätten es zudem Bücher, die Vorurteile bedienten. Darum gäbe es auch viele werke mit "Frauenthemen und über "Islamismus".

Dieser Situation wirkt die "Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika" entgegen. Sie hat ein eigenes Übersetzungsförderungsprogramm.

Dieses fördert seit 1984 die Übersetzung von 137 Büchern aus dem arabischen Raum, davon 90 Übersetzungen aus dem Arabischen (und der überwiegende Rest aus dem Französischen – viele maghrebinische Autoren schreiben ja in dieser Sprache).

Für mehr internationale Aufmerksamkeit

Eine Initiative, die die arabische Literatur weltweit bekannter machen will, ist der "Internationale Preis für den Arabischen Roman", der so genannte "Arabische Booker Preis". Der Übersetzer Hartmut Fähndrich, Mitglied der Jury, erklärte dazu:

"Die Absicht ist nicht nur, den – nach Meinung der Jury – besten arabischen Roman eines Jahres zu küren, sondern auch für diesen internationale Publizität zu suchen – etwas also, das arabischer Literatur im Westen bisher kaum zuteil wird."

Jonathan Taylor, Präsident der Booker-Organisation, erklärt, es sei die Absicht des Preises, "aus einem guten Roman einen Bestseller zu machen, da es andersherum eben nicht geht. Doch von diesem Punkt sind wir noch weit entfernt."

Die hohe Sprachhürde, die desolate Situation der arabischen Buchmärkte, dazu das vergleichsweise geringe Interesse des deutschen Publikums – all dies macht es schwer für die arabische Literatur. Die guten Bücher sind da. Es wird nur Zeit, dass es sich herumspricht.

Kersten Knipp

© Qantara.de 2010

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de

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