Eine elegante Pilgerfahrt

Der Orientalist und Schriftsteller Heinrich Freiherr von Maltzan war ein leidenschaftlicher Reisender. Um die orientalischen Kulturen kennen zu lernen, besuchte er auch Mekka, die heilige Stadt des Islam. Seine Beobachtungen sind nun erneut aufgelegt worden. Andreas Pflitsch stellt das zweibändige Werk vor.

Heinrich Freiherr von Maltzan; Foto: http://www.andreas-stieglitz.de/heinrich_von_maltzan.html
Heinrich Freiherr von Maltzan: "Nachdem ich dem Nabel der Mutter Eva den Zoll meiner Andacht gespendet hatte, galt es nun auch, an ihren andern Gliedmaassen meine Gebete zu verrichten."

​​Der "Wunsch, in das orientalische, namentlich arabische Volksleben tiefer und gründlicher einzudringen", ließ den 34-jährigen Heinrich Freiherr von Maltzan 1860 die strapaziöse Reise nach Mekka antreten, in die Stadt "welche erst zwölf Europäer seit sie existirt gesehen".

Maltzan hat einen originellen, unterhaltsamen und stellenweise urkomischen Reisebericht geschrieben den man auch heute noch gerne liest, obwohl, vielleicht aber auch weil er von political correctness noch nichts wusste.

Der Autor ist ein wacher Beobachter und guter Erzähler, sein 750-seitiger Reisebericht ist überraschend kurzweilig, gelegentlich zwar etwas geschwätzig, dann aber wieder spannend wie ein Abenteuerroman.

Der Inhalt ist denkbar vielgestaltig. Maltzan referiert die Geschichte des Kamels, beschreibt detailliert das Ritualgebet, stellt Überlegungen zum Koran an und lässt sich über Opium- und Haschischgenuss aus.

"Gedrängt wie die Häringe"

Er weiß über die Einrichtung der Zeitehe, "welche dem Hadsch die Langeweile seiner frommen Beschäftigung versüssen hilft", ebenso Interessantes zu berichten, wie über den lokalen Alkoholkonsum: "Ich sah daselbst beinahe so viel Betrunkenheit, als man nur in England und Amerika, diesen Ländern der Säufer katexochen, erblicken kann."

Die Zeremonien der Hadsch selber sind Maltzan ziemlich lästig. Man stehe "gedrängt wie die Häringe". Penibel und eher lustlos kommt er seiner Chronistenpflicht nach. Die Kaaba erscheint ihm als "finstere, schwermüthige Masse" und die Gläubigen hinterlassen "einen in seiner Seltsamkeit mächtigen, ich möchte sagen grauenerregenden Eindruck".

Maltzan erweist sich als ein europamüder Romantiker, wenn er, noch in Ägypten, gegen die Eisenbahn, diesen "Hohn auf jeden künstlerischen Geschmack, auf jede poetische Form", wettert. Ein "Dämonengeschöpf" schimpft er das moderne Transportmittel, das "durch ein Fetwa" zu verbieten "ein heutiger Schich ul Islam" sich nicht getraue, so dass zu seinem Leidwesen "Moslem wie Kafir, ja selbst die frommen Pilger auf dem entsetzlichen Schienenwege von Alexandrien nach Kairo rutschen."

Zumutungen für die Nase

Auch andere Unannehmlichkeiten der Reise weiß er plastisch zu schildern: "Dass bei einer Hitze von 30 Grad Réaumur die Transpiration aller dieser aneinander gequetschten Hadschadsch enorme Proportionen erreichte, wird mir Jedermann glauben und Niemand mich um das beneiden, was meinem vielgepeinigten Riechorgane geboten wurde."

Der ausnehmend elegante Stil der Prosa Maltzans sowie seine lakonische Haltung machen den Text äußerst amüsant. "Die wichtige Neuigkeit, dass es nur einen Gott gebe und das Mohamed sein Prophet sei", berichtet er, "wurde mir wenigstens hundert Mal auf der Reise zwischen Alexandrien und Kairo mitgetheilt." Man sieht den naserümpfenden Dandy förmlich vor sich stehen.

Bei der Beschreibung eines Grabwächters, der ihn durch seine Nase beeindruckt, läuft Maltzan zu großer Form auf: "Dieses Organ dominierte so sehr alle anderen, dass die übrigen zur blosen Rolle von Statisten herabsanken." Um dessen Mund war es nicht besser bestellt: "Zähne waren nicht in ihm vorhanden, einen einzigen abgerechnet, der stolz und kühn auf das Bild der Verheerung um ihn herum zu blicken schien."

Evas voluminöser Nabel

Das komische Talent des Autors äußert sich auch in der Schilderung des Besuchs an Evas Grab, einem Höhepunkt des Texts. Nach der Überlieferung soll die "Aeltermutter" von geradezu grotesker Körpergröße gewesen sein. Entsprechend voluminös nahm sich ihr Bauchnabel aus.

Maltzan plädiert kurzerhand dafür, dass "die Physiologen entscheiden, ob eine Person, welche fünfhundert Fuss lang war, eine anderthalb Fuss tiefe Nabelgrube besitzen konnte." Der Abstrusität der Gedenkstätte begegnet der Reisende mit Ironie. "Nachdem ich dem Nabel der Mutter Eva den Zoll meiner Andacht gespendet hatte, galt es nun auch, an ihren andern Gliedmaassen meine Gebete zu verrichten."

Die Überlieferung, nach der Ismail von Abraham und Hagar auf dem Schwarzen Stein der Kaaba gezeugt worden sein soll, kommentiert er ähnlich lapidar: "Man muss gestehen, dass der Patriarch keine modernen Ideen über Comfort besass."

Über die erholsame Offenheit dieses Berichts wundert man sich so lange, bis man merkt, dass heutigentags die Ressentiments zwar durch political correctness mühsam eingezäunt werden, damit aber keineswegs immer kuriert sind. Vielleicht ist es der fehlende Bierernst des Autors im Umgang mit seinen Beobachtungen, die uns heutigen Lesern so angenehm auffällt, da uns diese Offenheit verloren gegangen zu sein scheint.

Andreas Pflitsch

© Qantara.de 2005

Heinrich Freiherr von Maltzan, Meine Wallfahrt nach Mekka. Reise in der Küstengegend und im Inneren von Hedschas, 2 Bde, Leipzig 1865 (Nachdruck: Hildesheim 2004).

Qantara.de
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