Oriental Grooves am Main

Unter dem Projektnamen "Eastenders" orientieren sich Stefan Müller und Cem Buldak musikalisch in Richtung Asien, Balkan und vor allem in den Orient, um ihren Kreationen von globaler Tanzmusik die richtige Würze zu geben. Von Stefan Franzen

Unter dem Projektnamen "Eastenders" orientieren sich Stefan Müller und Cem Buldak musikalisch in Richtung Asien, Balkan und vor allem in den Orient, um ihren Kreationen von globaler Tanzmusik die richtige Würze zu geben. Von Stefan Franzen

Stefan Müller und Cem Buldak; Foto: &copy www.eastenders.de
Ganz im Gegensatz zu den weit verbreiteten Sample-Basteleien der Global Dance-Szene werden die Eastenders-Stücke mit Live-Instrumenten eingespielt.

​​Genau zehn Jahre ist es her, dass Stefan Müller in Frankfurt den Club "Indian Vibes" mitbegründete und damit Pionierfunktion in der Global Dance-Szene übernahm. Gerade war Nusrat Fateh Ali Khan gestorben und der so genannte Asian Underground mit progressiven Mixturen aus traditioneller indischer Musik und Drum'n'Bass trieb heftige Blüten.

Müller, als DJ, Radiomoderator und Journalist stets am Puls der Zeit, hat sich im Laufe seiner Aktivitäten ein weites Kontaktnetz von London über Wien und Budapest bis Istanbul erschlossen, sein wichtigster Partner allerdings residiert in unmittelbarer Nähe.

Mit dem Musiker Cem Buldak aus Wiesbaden tat er sich vor sieben Jahren zum Duo Eastenders zusammen, um aus der Mitte Deutschlands mit cleveren Koppelungen aus türkischem HipHop und Pop, marokkanischen Gnawa-Rhythmen, Bollywood-Flair und Roma-Traditionen die Dancefloors zu erobern.

Der "türkische Duft" der Musik

"In diesem Ballungsraum Rhein-Main trifft man eine Menge unterschiedlicher Kulturen", erzählt Müller. "Viele Musiker, die wir für die Live-Umsetzung unserer Stücke auf die Bühne einladen, kommen von hier." Als Gastsänger haben sie zum Beispiel den türkischen Rapstar Sultan Tunc eingespannt, ferner die ägyptische Nachwuchsstimme Shady Sheha.

Ganz im Gegensatz zu den weit verbreiteten Sample-Basteleien der Global Dance-Szene werden die Eastenders-Stücke – wenngleich für den Club zugeschneidert – mit Live-Instrumenten eingespielt, nur wenige Laptop-Loops, wie ein orientalisches Streichorchester aus dem digitalen Archiv von Cem Buldak, siedeln darin. Ihm ist es auch zu verdanken, dass viele Nummern von einem "türkischen Duft" durchzogen sind:

"Ich kam mit vier Jahren aus Ankara nach Deutschland und habe die Klänge Anatoliens als Sehnsuchtselement immer in mir getragen", erinnert er sich. "Mit meinem Vater war ich in der neuen Heimat dann ganz oft auf Demos und Integrationsfesten, und wenn da Folklore getanzt wurde, war meine Familie immer mit von der Partie."

Kein Wunder, dass Buldaks Herz bis heute für die traditionelle Musik seines Herkunftslandes schlägt oder für den nostalgischen Pop eines Melih Kibar. Eine Melodie des legendären Filmmusikers haben die Eastenders in ihrer Single "Vino Vino" verarbeitet.

"Da schlägt das Deutsch in mir durch"

Cem Buldak nennt sich als Künstler "Afrit", ein Wort, das er auf Autobahnfahrten in Holland aufgeschnappt hat – denn da heißt es "Ausfahrt". Der lustige Klang gefiel ihm – und auch wenn er später herausfand, dass es im Arabischen für die Geister ermordeter Personen steht, wollte er von diesem Pseudonym nicht mehr lassen. Er fühlt sich mehr als Deutscher denn als Türke:

"Ich habe in mir eine Schublade, an der ich mich gut bedienen kann, was die türkische Musik und Kultur angeht. Wenn es aber um Disziplin oder Durchsetzung von Projekten geht, dann schlägt klar das Deutsche in mir durch." Als Produzent jettet er trotzdem regelmäßig zwischen Frankfurt und Istanbul her - etwa, um Streicher aufzunehmen oder seinen Schützling Sultan Tunc am Bosporus voranzubringen.

Dort kann er mit seinem Kompagnon Stefan Müller auf gemeinsame Wertschätzung bauen, denn auch letzterer hat sich als DJ im quirligen Stadteil Beyoğlu den Respekt der tanzenden Gemeinde erworben.

Für ihr neues Werk "Beyond The Path" stützen sich die Eastenders hauptsächlich auf Remixe von Kollegen: "Uns kam es drauf an, nicht irgendwelchen DJs Aufträge zu geben, sondern mit den Leuten zu arbeiten, die wir lange kennen, von denen wir wissen, wie sie ticken."

Remixen und Gypsy-Kultur

Und dann erläutert Buldak, warum das Remixen Parallelitäten zur Gypsy-Kultur aufweist. "Beide gründen darauf, dass am Wegesrand Einflüsse sowohl aufgenommen als auch zurückgelassen werden." Buldak präzisiert:

"Wenn man einen Pfad geht, dann kommen unterwegs Abzweigungen und du musst dich wie bei einem Arrangement für eine entscheiden. Andere lässt du ungenutzt – mit 'Beyond The Path' werden nun einige dieser alten Weggabelungen anders beschritten."

Mithilfe der früheren Dissidenten-Frontfrau Bajka wandelt sich ein Orientstück Richtung "sexy Soul", die Balkan-Beatmeister "Deladap!" aus Wien haben Hand an "Vino Vino" gelegt, und "Vono Box" aus Budapest entwerfen ein imaginäres flirrendes Arabien.

"Wir waren dieses Jahr auf dem Sziget-Festival in Ungarn, neben den Dutzenden von Rock- und Pop-Stages gab es auch eine Roma-Bühne. Dort ging das junge Publikum sowohl zu den traditionellen Sachen ab, als auch zu den Balkan-DJs. Originalmaterial und Remix-Kultur auseinander zu dividieren ist nicht mehr zeitgemäß", glaubt Müller. "Ein solches Miteinander - das ist die europäische Zukunftsmusik!"

Stefan Franzen

© Qantara.de 2007

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Dossier: Musikwelten
In der islamischen Welt und Europa hat sich längst eine eigenständige, moderne Musikszene entwickelt, die sich fernab von Bauchtanz- und Folkloreklischees bewegt. In diesem Dossier stellen wir einige ihrer wichtigsten Akteure, Stilrichtungen und Begegnungen vor.

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