Der gefallene Pharao

Ägyptens Kifaya-Bewegung hat mit ihrer Veröffentlichung eines Berichtes über Korruption und Vetternwirtschaft in der Führungsschicht des Landes den Widerstand gegen Präsident Mubarak erhöht. Barry Rubin informiert

Ägyptens Kifaya-Bewegung hat mit ihrer Veröffentlichung eines Berichtes über Korruption und Vetternwirtschaft in der Führungsschicht des Landes den Widerstand gegen Präsident Mubarak erhöht. Von Barry Rubin

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak auf einem Wahlplakat; Foto: AP
Die Veröffentlichung des detaillierten Berichtes, der Mubarak und seine Familie stark belastet, stellt einen Frontalangriff der Kifaya-Bewegung gegen das Regime dar

​​Die Aktion der Kifaya ist umso gewagter, als sie mitten in eine Zeit staatlicher Restriktionen fällt, die den Weg für Mubaraks Sohn Gamal als Nachfolger seines Vaters ebnen sollen.

Vor kurzem wurde beispielsweise ein Gesetz verabschiedet, das Strafen für die Verbreitung von Gerüchten vorsieht, wonach Gamal der nächste Präsident werden soll.

Ebenso wie in anderen arabischen Staaten, nimmt die Korruption in Ägypten derart überhand, dass damit die Aussicht auf wirtschaftliche Entwicklung, einen höheren Lebensstandard, freie Medien, unabhängige Gerichte und Demokratie stark getrübt ist.

Regimekonformität der politischen Elite

Aus Angst vor kritischer Medienberichterstattung, Wahlniederlagen und sogar Verhaftungen gibt sich die politische Elite Ägyptens regimekonform und lehnt jede einschneidende Reform ab.

Das ist ein Hauptthema des vorliegenden Berichts mit dem Titel "Korruption in Ägypten: Eine schwarze Wolke, die nie vorüberzieht".

Solange das System von oben korrumpiert wird und die gewöhnlichen Bürger mit der Regierung nur über den Weg der Bestechung verkehren, wird die Ineffizienz an der Tagesordnung und der zwischenmenschliche Umgang von Betrug geprägt bleiben, heißt es im Bericht. Dieser Teufelskreis könne nur durch die Einsetzung eines neuen Regimes durchbrochen werden.

Wie man am Beispiel der Palästinensischen Autonomiebehörde von Jassir Arafat sehen konnte, treibt ein korruptes Regime die Menschen in die Hände radikaler Islamisten, die alles daransetzen, sich als die Anständigen zu präsentieren.

Wenn die Muslimbruderschaft in Ägypten eines Tages das Ruder übernimmt, wird der Bericht der Kifaya einiges darüber aussagen, wie es dazu kommen konnte.

"Fasadistan" - Land der Korruption

Der Bericht beginnt mit einem Scherz: Eigentlich sollte Ägypten in "Fasadistan" (Land der Korruption) umbenannt werden. Darauf folgt eine Dokumentation von Korruptionsfällen in den Bereichen Wohnbau, Wirtschaft, Gesundheit, Transport, Handel, Banken, Drogen, Landwirtschaft, Politik, Kultur und Medien.

In einem Kapitel wird beschrieben, wie Sicherheitskräfte Personalentscheidungen in sämtlichen Schlüsselpositionen - einschließlich Schulen und Universitäten - kontrollieren.

Der dramatischste Abschnitt dieses Berichts allerdings widmet sich der Person Mubarak selbst. In einer glaubhaft erscheinenden Geschichte wird ein Treffen Mubaraks mit Offizieren der dritten Armee vor zwei Jahren geschildert. Einige der jüngeren Offiziere beschwerten sich über Korruption.

Mubarak überraschte sie allem Anschein nach mit der Aussage, er wüsste, dass viele führende Persönlichkeiten im Lande Diebe wären, aber er glaube, dass sie bereits genug gestohlen hätten, um zufrieden zu sein. Wenn er neue Leute in diese Ämter hole, befürchte er, dass diese Raubzüge abermals beginnen könnten und eine noch schwerere Bürde für Ägypten darstellen würden.

Allerdings sind dem Bericht zufolge Mubarak, seine Frau Susan sowie seine beiden Söhne Gamal und Alaa alles andere als Unschuldslämmer. Als Mubarak 1981 das Präsidentenamt übernahm, wurde ihm vom Parlament die Kontrolle über sämtliche militärische Verträge ohne legislative Überwachung zugestanden.

Kontrollmonopol auf militärische Ausgaben und Importe

Im Endeffekt, so der Bericht, verfügt Mubarak also über ein Kontrollmonopol auf militärische Ausgaben und Importe, das sich offenbar bei jedem von ihm genehmigten Deal als eine unerschöpfliche Quelle für Schmiergelder erweist.

Ähnlich agiert auch Susan Mubarak als Vorsitzende von über 100 Wohltätigkeitsorganisationen, die vielfach nur auf dem Papier bestehen. Ihr wird im Bericht angelastet, dass diesen Institutionen jährlich an die fünf Millionen Dollar zufließen - ein großer Teil davon jedoch auf ihren Geheimkonten im Ausland verschwindet.

Ironischerweise, so der Bericht weiter, drängte ausgerechnet Susan Mubarak im Jahr 1992 auf die Verabschiedung eines Gesetzes, das es ägyptischen Nichtregierungsorganisationen gestattet, ausländische Hilfsgelder zu erhalten – eine Bestimmung, die sich manche Oppositionsgruppen zunutze machen – um den von ihr geleiteten NGOs Finanzierungskanäle zu erschließen.

Auch Präsidentensohn Gamal, so die Behauptung der Kifaya, verfüge über seine eigenen Wohltätigkeitsorganisationen, die ihn mit Geld versorgten. Dazu gehöre auch die berühmte Organisation Al-Mustaqbal.

Lukrative Geschäfte und illegale Finanztransaktionen

Die beiden Söhne Mubaraks sollen dem Bericht zufolge – ohne jegliche Investition – lukrative Beteilungen an unzähligen Firmen wie Phillip Morris, Skoda Auto, Mövenpick, Vodafone, McDonalds und vielen anderen erhalten haben. Außerdem kommen sie ohne Sicherheiten an Bankkredite für sie und ihre Freunde.

Der Bericht stellt fest, dass diese Mittel oftmals für illegale Finanztransaktionen, Waffenhandel und Geldwäsche verwendet werden. Zu den Vorlieben der Söhne sollen auch Ausflüge in die Welt des Drogenhandels und des illegalen Exports ägyptischer Kunstschätze – des kulturellen Erbes Ägyptens – gehören.

Dabei zählen sie auf die Hilfe von Kultusminister Faruk Husni, der die beiden angeblich decken soll. Jeder, der ihnen dabei im Weg steht, wird fälschlich des Drogenhandels bezichtigt und kann dafür im Gefängnis landen.

Andere Kabinettsmitglieder sind um nichts besser, so der Kifaya-Bericht. Boutros Ghali, der Neffe des ehemaligen UNO-Generalsekretärs, Innenminister Habib Al-Adli und so mächtige Persönlichkeiten wie Ibrahim Suleiman und Safwat Sharif sind – zum Teil gemeinsam mit den Söhnen Mubaraks - in ähnliche Deals verwickelt.

Kurzum: Funktionäre und Beamte können tun was sie wollen, ohne dabei von Gesetzen oder Transparenz-Grundsätzen behelligt zu werden, so der Bericht. Mittels Notstandsrecht, das die Freiheit seit 1981 einschränkt, Zensur und Wahlmanipulationen behandelt die ägyptische Regierung ihre Bürger wie Leibeigene.

Unterdessen zerstört die massive Korruption die ägyptische Wirtschaft. Das Wachstum fiel in den letzten beiden Jahren um die Hälfte, die Arbeitslosigkeit stieg ebenso wie die Inflation und die Währung wurde abgewertet.

Ausländische Investitionen sind ebenfalls rückläufig und die lokale Produktion liegt lahm, wodurch teure Importe nötig werden. Die durch diese Mängel hervorgerufene Unzufriedenheit ist eine der möglichen Hauptursachen für Unruhen.

Die Veröffentlichung eines derart detaillierten Berichts, in dem man es wagt, Mubarak und seine Familie als Haupttäter zu präsentieren, ist ein Frontalangriff der Kifaya gegen das Regime.

Die Notwendigkeit von Reformen, so die Argumentation der Kifaya, ist nicht nur in dem Wunsch nach einer besseren Regierung oder abstrakten Rechten begründet, sondern auch in dem Versuch, ein Land zu retten, das vom Erstickungstod bedroht ist. Als Reaktion darauf könnte das Regime allerdings versuchen, die Schlinge noch enger zu ziehen.

Barry Rubin

© Project Syndicate 2006

Übersetzung aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

Barry Rubin ist Direktor des Global Research in International Affairs Center (GLORIA) und Herausgeber des Journals MERIA. Jüngst von ihm erschienen ist das Buch "The Long War for Freedom: The Arab Struggle for Democracy in the Middle East".

Qantara.de

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