Sorge vor staatlicher Beobachtung: Deutsche Beschwerde bei Ägypten

Es geht um den gemeinsamen Kampf gegen die Erderwärmung bei der Klimakonferenz in Ägypten. Doch nicht zuletzt die Bundesregierung spricht auch das für den Gastgeber unliebsame Thema Menschenrechte an. Das weckt offenbar das Interesse aufdringlicher Sicherheitsleute.



Scharm el Scheich. Nach Sorgen über eine Beobachtung durch örtliche Sicherheitsbehörden bei der Weltklimakonferenz in Ägypten hat die deutsche Botschaft sich bei den Gastgebern beschwert. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag am Rande der Konferenz.



Ägyptische Sicherheitsleute hätten Veranstaltungen am deutschen Pavillon beobachtet und gefilmt, hieß es. Die Botschaft habe sich daraufhin beschwert und die ägyptischen Behörden aufgefordert, diese Maßnahmen zu stoppen. Ägyptische Sicherheitskreise wiesen die Vorwürfe einer Überwachung zurück.



Am deutschen Pavillon auf der Konferenz fanden in den vergangenen Tagen Veranstaltungen zur Menschenrechtslage in Ägypten statt, die Kritiker als verheerend beschreiben. Daran nahmen unter anderem die Chefinnen von Human Rights Watch (HRW) und Amnesty International teil, Tirana

Hassan und Agnès Callamard, sowie die bekannte ägyptische Aktivistin Sanaa Saif. HRW und Amnesty haben keine Büros in Ägypten, erst vor Tagen wurde eine Blockade der HRW-Website im Land nach einer jahrelangen Sperre aufgehoben.



Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich bei seinem Besuch zu Beginn der Woche für die Freilassung des inhaftierten ägyptischen Demokratieaktivisten Alaa Abdel Fattah eingesetzt. Fattah ist seit Jahren in Haft und derzeit im Hungerstreik.



Bei mindestens zwei Terminen erschienen ägyptische Gäste, die die Diskussion teils fotografierten und filmten oder mit längeren Redebeiträgen störten. Das sorgte für Spannungen und kurzen Streit, zu größeren Zwischenfällen oder Handgreiflichkeiten kam es aber nicht. Das Gelände der Konferenz steht unter Aufsicht der Vereinten Nationen und den UN-Sicherheitsbeamten.



Aus Delegationskreisen hieß es gegenüber der dpa dazu: «Einzelne Vorfälle bei Veranstaltungen im deutschen Pavillon haben wir zum Anlass genommen, die deutsche Delegation noch einmal umfassend für potentielle Sicherheitsrisiken zu sensibilisieren, die während der Dauer der COP27 auftreten könnten.» Die deutsche Botschaft habe eine E-Mail mit Verhaltenshinweisen an alle Delegationsmitglieder geschickt.



Ägyptische Sicherheitsleute in Zivil waren in vergangenen Tagen auch anderswo bei Protestaktionen von Klimaschützern auf dem Konferenzgelände anwesend. Bei einem Protest am Samstag, an dem auch die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer sowie Saif teilnahmen, erschienen ägyptische Mitarbeiter, die ihren Konferenzpässen zufolge eigentlich für technische Unterstützung zuständig sind. Diese filmten und fotografierten den Protest und erklärten auf Nachfrage, sie seien freiberufliche Journalisten.



Neubauer bezeichnete die Möglichkeit zum Protest als «Shitshow». Hinter den Vereinten Nationen, die das Konferenzgelände kontrollieren, sei der «ganze ägyptische Apparat» erkennbar. Es sei das «Wirken einer Diktatur».



Ägyptische Sicherheitskreise verneinten gegenüber der dpa jegliche Überwachung von Aktivisten während Veranstaltungen am Rande der Klimakonferenz, einschließlich derer am deutschen Pavillon. «Die Sicherung ausländischer Seminare und Aktivitäten ist Aufgabe der UN-Kräfte. Als Ägypter ist unsere Rolle auf die Sicherung außerhalb von Sälen und in der Stadt Scharm el-Scheich beschränkt», hieß es. Teilnehmer aus anderen Ländern berichteten, dass die ägyptischen Technik-Helfer auch darauf bestünden, in geschlossenen Sitzungen von Nichtregierungsorganisationen anwesend zu sein. Ägyptische Teilnehmer, einige davon mit Funkgeräten, sind seit Tagen überall auf dem Gelände zu sehen. Ihre Konferenzpässe tragen sie teils verdeckt.



In einem Fall wurde der Handybildschirm einer Teilnehmerin fotografiert und der Inhalt bei Facebook verbreitet. Es sei sehr offensichtlich, dass die ägyptischen Behörden die Aktivitäten rund um Menschenrechte beobachten würden, sagte Hossam Bahgat, Gründer der ägyptischen Menschenrechtsorganisation EIPR. «Der einzige Grund, warum sie bisher keine körperliche Gewalt angewandt haben, ist die Tatsache, dass wir in einem von den UN kontrollierten Bereich sind», sagte Bahgat der dpa. Die Störungen bei Veranstaltungen seien erwartbar gewesen. «Wir bleiben jeden Tag in der blauen Zone, weil das das Einzige ist, was unsere Sicherheit garantiert.»



In Ägypten sind die Meinungs- und Versammlungsfreiheit massiv beschnitten. Menschenrechtler haben Sorge, dass die Unterdrückung kritischer Stimmen im Land nach Ende der Konferenz in einer Woche noch zunehmen könnte. Zur Konferenz sind rund 45 000 Teilnehmer aus knapp 200 Ländern registriert, darunter mehr als 3000 Journalisten und Medienschaffende. (dpa)