"Die Kairo Verschwörung": Intrigen und Machtspiele

Bonn. Adam lebt mit seiner Familie in einem kleinen Ort an der Küste von Ägypten. Mit seinem Vater rudert er jeden Morgen aufs Meer hinaus, um Fische zu fangen. Sein sehnlicher Wunsch aber ist es zu studieren. Der Imam des Dorfes unterstützt ihn. Adam erhält ein staatliches Stipendium und wird an die al-Azhar-Universität von Kairo aufgenommen. Die im 9. Jahrhundert gegründete Hochschule ist eine der ältesten Universitäten; ihr Oberhaupt ist die höchste Autorität des sunnitischen Islams. "Fatwas" (Empfehlungen) des Großimams sind nicht nur in Gesetzesfragen von großer Bedeutung.



Adam, der sein Dorf bisher noch nie verlassen hat, aber den Koran in- und auswendig kennt, findet sich inmitten einer Heerschar weiße Kaftane und rot-weiße Azhari-Feze tragender Studenten wieder. Ein Student namens Zizo nimmt sich seiner an.



Doch dann stirbt der Großimam. Der oberste Rat, ein Gremium von 27 Imamen, muss in geheimer Abstimmung den Nachfolger bestimmen - der Startschuss für Machtkämpfte und Intrigen, denn der Inhaber der höchsten religiösen Macht beeinflusst in Ägypten auch maßgeblich Staat und Politik.



Mit der Benennung der drei Kandidaten setzt die eigentliche Handlung von "Die Kairo Verschwörung" ein. Sie ist für ein mit den religiösen und staatlichen Machtverhältnissen unvertrautes Publikum nicht einfach zu verfolgen, aber spannend. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Geheimdienst, vertreten durch den mit allen Wassern gewaschenen Offizier Ibrahim. Eine andere zentrale Rolle gehört Adam. Er beobachtet, wie Zizo ruchlos ermordet wird. Kurz darauf wird er selber von Ibrahim als Spion rekrutiert - eine Aufgabe, der man sich lieber nicht widersetzt.



Mit der Geheimpolizei hat Regisseur Tarik Saleh selbst Erfahrungen gemacht. 2015 wurde er kurz vor Drehbeginn seines Krimis "Die Nile Hilton Affäre" aufgefordert, Ägypten zu verlassen. Seither gilt er dort als unerwünschte Person. "Die Kairo Verschwörung" wurde deshalb größtenteils in der Türkei gedreht.

 

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Der Film lebt von einer atemberaubenden Bildlichkeit und führt ins Innere einer abgeschlossenen Männergesellschaft. Kameramann Pierre Aïm besitzt ein gutes Auge für die Majestät der Architektur. Er weiß um die beeindruckende Kraft von Massenszenen und die Magie des Zusammenspiels von Farben. Insbesondere die Szenen, in denen die uniform gekleideten Studenten sich im Hof der Uni versammeln oder sich zum Gebet treffen, sind schlicht phänomenal.



"Die Kairo Verschwörung" spielt mit den Versatzstücken eines klassischen Spionage-Szenarios. Die Handlung und Figuren der Geschichte hat Tarik Saleh, von dem auch das Drehbuch stammt, weitgehend frei erfunden. Der Film steckt voller Verweise auf die gegenwärtige Situation in Ägypten.



Im Kern beschreibt der Film das Funktionieren von Macht und Autorität innerhalb einer von starken Hierarchien geprägten geschlossenen Organisation. Mehr oder weniger nebenbei geht es auch um einen unbescholtenen jungen Mann, der wegen seiner Herkunft aus einfachen Verhältnissen von allen unterschätzt wird, dies jedoch zu analysieren versteht und clever unterläuft.



Tawfeek Barhom spielt den seine Umgebung wegen seines Wissens immer wieder verblüffenden Adam überzeugend zurückhaltend. Fares Fares personifiziert den Offizier Ibrahim, der verschiedensten Herren diente und auch Verwerfliches tat, mit großer Gelassenheit und einer unerwartet aufflammenden Güte.



Ibrahim ist die spannendste, aber auch schillerndste Figur in einem Film, in dem jeder unter dem Deckmantel der weltlichen oder religiösen Funktionen seine Position zu optimieren versucht. "Die Kairo Verschwörung" fasziniert insbesondere dort, wo die Weltzugewandtheit der al-Azhar-Angehörenden im krassen Gegensatz zu der von der Universität verkörperten Erhabenheit steht: wenn Studierende sich für einen Kurzausflug in die Stadt aus einem Seitentor stehlen, in verborgenen Winkeln eine Zigarette rauchen oder unverhofft ein Handy zücken. In diesen Momenten verströmt der Film etwas von einem kleinen Internatsdrama. (KNA)