Der Bumerang-Effekt

Ein Militärschlag der USA auf den Iran würde die Herrschaft der Mullahs stärken und nicht schwächen, meint Nasrin Alavi.

Symbol für das iranische Atomprogramm; Foto: AP
Ein militärischer Schlag gegen den Iran von Seiten der USA, würde dass Mullah-Regime stärken, so Nasrin Alavi.

​​Und alles geht von vorne los. Der Iran ist immer stärker isoliert, nicht nur vom Westen, sondern auch von seinen arabischen Nachbarn. Die Kampflinien sind gezogen.

Auf viele Iraner wirken die Zeichen nicht nur Unheil verkündend, sondern auch allzu vertraut. Am 22. September 1980 griff der Irak den Westen des Irans an und löste damit den längsten konventionellen Krieg des 20. Jahrhunderts aus (1980-88). Der Irak unter Saddam Hussein hatte die Rückendeckung vieler westlicher Staaten.

Aber auch einige arabische Monarchien, wie Kuwait, fürchteten nach der Iranischen Revolution als Folge eines Domino-Effekts ihren möglichen Niedergang, sodass sie dem irakischen Regime finanzielle Hilfe zukommen ließen.

Unterstützung Saddams während des Iran-Irak-Krieg

Die großzügige Unterstützung Iraks durch die USA während des Krieges ist umfassend dokumentiert. Die USA wollten den Iran entmachten, um zu verhindern, dass er noch andere Erdöl produzierende Staaten der Region anstecken würde und es zu einem "Revolutions-Export" käme.

Saddams Macht über den Irak wurde maßgeblich gestützt durch deutsche Technologie, die sich zivil, wie militärisch nutzen ließ, und französische Waffenlieferungen. Experten sagen heute, dass damit die Grundlage für die spätere Entwicklung von chemischen und biologischen Kampfstoffen gelegt wurde.

Kenneth Pollack, früheres Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der USA und seinerzeit aktiv an der Umsetzung der amerikanischen Politik im Irak beteiligt, beschreibt in seinem Buch "The Threatening Storm" recht detailliert die damaligen Ereignisse:

"Washington reichte wertvolles Geheimdienstmaterial an den Irak weiter, darunter Satellitenaufnahmen, die Schwächen in der Befestigung Basras zeigten und von großer Wichtigkeit für die Niederlage Irans waren."

Irans Präsident Ahmadinedschad; Foto: dpa
Präsident Ahmadinedschad bekräftigt Irans Recht auf die Fortsetzung seines Atomprogramms.

​​Er fügt hinzu: "40 Prozent aller französischen Waffenlieferungen gingen 1982 in den Irak", und führt dann aus: "Paris verkaufte Bagdad eine große Bandbreite von Waffen. Dazu gehörten gepanzerte Fahrzeuge, Luftverteidigungssysteme, Boden-Luft-Raketen, Mirage-Kampfflugzeuge und Exocet-Raketen, die sich gegen Schiffe einsetzen ließen."

Und was Deutschland betrifft: "Deutsche Firmen zeigten dabei ebenso wenig Hemmungen, sich am Geschäft zu beteiligen; sie verkauften den Irakern nicht nur eine große Menge Lastwagen und Autos, sondern bauten für sie auch große Industrieanlagen für die irakischen Programme zur chemischen und biologischen Kriegführung und zur Entwicklung neuer Raketengeschosse."

Die Lektion

Der Westen unterstützte das Regime Saddam Husseins also tatkräftig, und dies selbst noch im Sommer 1983, zu einem Zeitpunkt also, an dem bereits klar war, dass der Irak chemische Waffen gegen die iranische Armee einsetzte.

Heute lässt sich nur noch schwer bestreiten, dass dieser Krieg eine Schlüsselrolle bei der Machtkonzentration in den Händen der Kleriker spielte; schließlich liefen nun selbst Kritiker der islamischen Republik in das Lager von Ayatollah Khomeini über, um das Land gegen die Feinde von außen zu verteidigen.

In der Anfangszeit der Revolution übernahmen radikale Kleriker die Moscheen und säuberten sie von zahllosen unliebsamen Geistlichen. Im ganzen Land bildeten sie so genannte komiteh (Komitees).

Es folgte eine Phase des Chaos mit Plünderungen und Zerstörungen (ähnlich wie im Irak nach dem Fall Saddam Husseins); schließlich waren die Moscheen zuvor die einzigen Instanzen gewesen, die, vor dem Hintergrund jahrzehntelanger brutaler Unterdrückung politischer Parteien, in der Lage waren, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten.

Die Komitees wurden zur Moralpolizei. Bevor man eine Arbeit bekam, durchleuchteten sie die Frömmigkeit des Bewerbers oder sorgten dafür, dass man - egal für welche angebliche Verfehlung - seinen Posten verlieren konnte; und dies betraf jeden, vom Dekan einer Universität bis zum Briefträger.

Die Komitees konnten für Krankenhauskosten aufkommen oder für die Hochzeit der Tochter. Sie fungierten als Richter, Geschworene und Mörder in einem, wenn es darum ging, sich eines Ungläubigen in der Nachbarschaft anzunehmen.

Jede Facette des täglichen Lebens wurde von den Komitees kontrolliert. Der iranisch-irakische Krieg stärkte ihre Macht nur noch mehr, da nun jede Art von Opposition ruhig gestellt wurde.

Die Komitees bekamen ihre eigenen paramilitärischen Einheiten, die basij, die als Rekrutierungsbasis für die Front dienten und für die Verteilung der Essensrationen zuständig waren.

Condoleezza Rice in Iran; Foto: AP
Das iranische Atomprogramm führt zu verschärften Spannungen zwischen den USA und dem Iran.

​​Hunderttausende Iraner starben als Kanonenfutter, als sie in immer neuen Angriffswellen auf irakische Artilleriestellungen zuliefen. Doch es genügt, nur einmal über die muslimischen, armenischen, assyrischen und jüdischen Friedhöfe zu gehen und die Inschriften auf den Grabsteinen zu lesen, um den großen Patriotismus zu ermessen, mit dem hier eine Heimat und ein Erbe von vielen tausend Jahren verteidigt wurde.

Einige mögen eine solche nationale Einstellung als weiteren Beleg für unsere extremistischen Positionen ansehen, doch sollten sich jene an die eigene Nase fassen und sich den europäischen Patriotismus vor Augen halten, der den Ersten Weltkrieg erst ermöglichte (und den Zweiten genauso).

Im Unterschied zu den meisten Staaten des Nahen Ostens hat der Iran Grenzen, die nicht nach den Launen europäischer Kolonialmächte des 19. oder 20. Jahrhunderts in den Sand gezeichnet wurden. Auch wenn man sich in den amerikanischen "Think tanks" darüber schwarz ärgern mag: Iran wird sich nicht balkanisieren lassen.

"Teile und herrsche"-Taktik

Verhandlungen nach dem Modell Henry Kissingers, also aus einer Position der Stärke, die aus dem Gegeneinanderausspielen anderer Mächte erwächst - in diesem Fall der sunnitischen arabischen Regime gegen den schiitischen Iran - wird sich als lukrativ allenfalls für den internationalen Waffenhandel erweisen, der sich heute vor allem aus der Furcht von Staaten wie Saudi-Arabien nährt.

Doch die alte "Teile und herrsche"-Taktik fördert zugleich den sektiererischen Krieg im Irak und wird sich als ähnliche Katastrophe auch in anderen Ländern der Region erweisen, sollte sich der Konflikt auf diese ausweiten.

Aber selbst wenn der Krieg gegen den Iran gegenwärtig nicht aktiv geplant wird, können der Krieg der Worte, den wir beobachten können, und das gewaltige Aufrüsten in der Region zu einer Katastrophe führen.

Wie würde sich der Krieg innerhalb Irans auswirken? Die Bevölkerung ist unzufrieden mit dem Regime, wie sich bei den Wahlen vom Dezember 2006 und bei den Demonstrationen gezeigt hat, auf denen Tausende Studenten gegen ihre Regierung protestierten.

In der Zeit unmittelbar vor dem Krieg gegen den Irak war es jedoch nicht ungewöhnlich, Zehntausende Menschen ganz unterschiedlicher politischer Überzeugung zu sehen, wie sie gegen die zu jenem Zeitpunkt schwacher werdende Herrschaft der Mullahs marschierten.

Mit Ausbruch des Krieges aber verschwanden die Proteste praktisch über Nacht und die meisten politischen Gruppen bekamen einen Maulkorb verpasst, indem sie des Verrats verdächtigt wurden. Viele andere erkannten, dass der Feind von außen eine größere Bedrohung für ihr Land war, und schwiegen um der nationalen Einheit willen.

Die dahinter stehende Logik - ob psychologisch, politisch oder emotional - wird heute im Iran die gleiche sein: Ein Militärschlag mit strategischen Luftangriffen durch die Vereinigten Staaten wird zu keinem Volksaufstand führen.

Das Ergebnis

Wie ist es nun zu erklären, dass sich die USA vor dem gleichen Problem sehen, vor dem sie bereits 2003 mit Saddam Husseins Irak standen? Jeder ist sich der Gewalt und der Wut bewusst, die durch die Invasion im Irak ausgelöst wurden.

Iranische Fahnen mit Bush-Karikaturen; Foto: AP
Die iranische Bevölkerung ist bereits heute nicht gut auf die USA zu sprechen. Eine mögliche Militäroffensive könnte diese Situation weiter verschärfen.

​​Doch was für eine Katastrophe hätte ein weiterer Krieg in der Region zur Folge? Wird Israel sich weiter isolieren und in eine endlose Folge unerbittlicher Kriege verstricken, die den Konflikt mit dem Libanon im Jahr 2006 wie ein kleines Nachbarschaftsgerangel aussehen lassen?

Was, wenn ein bis an die Zähne bewaffnetes Saudi-Arabien in die Hände von Al-Qaida fällt? Oder der Nuklearstaat Pakistan unter die Herrschaft von Dschihadisten? Wie sicher können sich die USA dieser Länder sein?

Es sei daran erinnert, dass die amerikanischen Geheimdienstinformationen, die dem damaligen Präsidenten Jimmy Carter Ende 1977, nur ein gutes Jahr vor der iranischen Revolution, vorlagen, dazu führten, dass er den Iran als eine "Insel der Stabilität" in einer ansonsten unruhigen Region bezeichnete.

Eine militärische Konfrontation mit dem Iran würde allein dazu dienen, das schwindende Vertrauen des iranischen Volkes in seinen berüchtigten Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad wieder zu beleben und damit auch der Islamischen Republik insgesamt helfen, verlorenes Terrain wiederzugewinnen.

Wenn also die militärische Option irgendetwas bewirken könnte, wäre es einzig die Unterstützung eines Regimes, dessen Bekämpfung sich die USA seit langem auf die Fahnen geschrieben haben. Ein besserer, friedlicherer Weg muss dringend gefunden werden.

Nasrin Alavi

© openDemocracy 2007

Qantara.de

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