Ein Neubeginn ohne Feindbilder?

Nach Jahrzehnten der offenen Feindschaft hat US-Präsident Barack Obama dem Iran einen Neubeginn in den Beziehungen angeboten. Bei vielen Iranern stieß Obamas Botschaft auf offene Ohren. Peter Philipp kommentiert.

Symbolbild Ahmadinedschad/Obama; Foto: AP/DW
Auf die jüngste Offerte von US-Präsident Barack Obama hat der Iran mit der Forderung nach praktischen Schritten reagiert und die Neuauflage der Sanktionen der USA gegen die Islamische Republik kritisiert.

​​ Barack Obama macht ernst: Hatte er bisher bereits seine Bereitschaft bekundet, mit dem Iran zu sprechen, so nutzte der amerikanische Präsident die Gelegenheit des iranischen Neujahrsfestes "Nourouz", um Teheran einen Neubeginn anzubieten.

Wichtig waren dabei weniger die Komplimente Obamas gegenüber dem Iran als alte Kulturnation, solches war gelegentlich selbst aus dem Munde George W. Bushs zu hören gewesen, der den Iran gleichwohl als Teil seiner "Achse des Bösen" behandelte.

Wichtig war die Offenheit und Klarheit, mit der Obama den Iranern erklärte, dass es natürlich eine Reihe ernster Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Ländern gebe, dass er aber bereit und entschlossen sei, diese Fragen auf dem Wege der Diplomatie zu behandeln.

Annäherung auf gleicher Augenhöhe

Eine "Annäherung auf gleicher Augenhöhe" scheint die Strategie Obamas zu sein. Der US-Präsident hat erkannt, dass man mit von oben erlassenen Ratschlägen oder gar Befehlen und Sanktionen nichts erreicht. Höchstens das Gegenteil – nämlich, dass sich die Gegenseite düpiert fühlt, missachtet und verachtet und dass sie sich genau deswegen den Avancen gegenüber verschließt.

Iranerin schaut Obamas Video-Botschaft im Fernsehen; Foto: AP
Positive Resonanz innerhalb der Bevölkerung: Iranerin schaut Obamas Video-Botschaft im Fernsehen

​​ Bei vielen Iranern dürften die Worte Obamas auf offene Ohren gestoßen sein. Denn sie sind ohnehin seit langem auf die USA fixiert und täten nichts lieber, als die Beziehungen wieder aufzunehmen. In politischen Kreisen Teherans allerdings werden auch die versöhnlichsten Worte aus Washington Misstrauen und zumindest vorläufige Ablehnung auslösen.

Wie der oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, es am vergangenen Samstag (21.3.) demonstrierte: In einer Neujahrsansprache in Mashad kritisierte er Obama: Dieser könne doch nicht den Iranern ein gutes neues Jahr wünschen, ihnen aber gleichzeitig vorwerfen, die unterstützten Terrorismus und Gewalt.

Der iranische Führer wollte nicht verstehen, dass er hier die Meinungsverschiedenheiten ansprach, von denen ja auch Obama geredet hatte: Irans Unterstützung für Hisbollah und Hamas sowie den Verdacht, dass der Iran mit seinem Nuklearprogramm Atomwaffen anstrebe.

Khamenei hatte erst einen Tag zuvor die Weiterentwicklung des Atomprogramms als größte Errungenschaft des zurückliegenden Jahres gefeiert und eine Umkehr ist deswegen von ihm in dieser Frage nicht zu erwarten.

Bleibt die Frage offen, ob er trotzdem "grünes Licht" geben wird für direkte Kontakte in verschiedenen Sachfragen, so kontrovers die Positionen zwischen Washington und Teheran auch sein mögen.

Amerikanische und iranische Gemeinsamkeiten

Man könnte und sollte versuchen, auf Gemeinsamkeiten aufzubauen; und auch die gibt es:

Der oberste Führer Khameini mit Revolutionswächtern während einer Parade in Teheran; Foto: AP
Mit einem Feindbild USA lebt es sich leichter. Die Ideologen der Islamischen Republik fürchten offenbar, dass eine Annäherung an die USA die Grundlage ihrer Staatsdoktrin aushöhlen könnte.

​​So haben die USA und der Iran grundsätzlich ähnliche Interessen gegenüber dem Irak und – mehr noch – gegenüber Afghanistan.

Beide Länder sollen endlich zur Ruhe kommen und nicht mehr als Störenfriede auftreten – nicht für den Nachbarn Iran und nicht für den Rest der Welt. Wenn es gelänge – etwa bei der bevorstehenden Afghanistan-Konferenz in Den Haag – diese gemeinsamen Interessen herauszuarbeiten, warum sollte man sich dann nicht auch an die kontroversen Fragen machen können?

Viel hängt vom gegenseitigen Vertrauen ab, und daran scheint es zu mangeln. Besonders in Teheran gibt es hierfür natürlich einen anderen triftigen Grund: Die Ideologen der Islamischen Republik fürchten offenbar, dass eine Annäherung an die USA die Grundlage ihrer Staatsdoktrin aushöhlen könnte. Mit einem Feindbild USA lebt es sich leichter.

Peter Philipp

© Deutsche Welle 2009

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