Mit Islam-Hass auf Stimmenfang - Geert Wilders spaltet die Niederlande

Die Niederlande stehen vor einer entscheidenden Wahl: Die PVV des Rechtspopulisten Geert Wilders könnte stärkste Kraft werden und das Land prägen. Der Wahlkampf dreht sich um den Islam, Integration und Identität. Von Benjamin Dürr

Christen und Muslime haben in der vergangenen Woche gemeinsam die El-Kabir-Moschee in Amsterdam besucht. Auch ein Rabbi nahm am Gebet teil. Etwa 300 Menschen waren es insgesamt, die mit ihrem Treffen ein Zeichen der Versöhnung in aufgeheizten Wochen setzen wollten. In den Niederlanden wird kommende Woche Mittwoch ein neues Parlament gewählt. Die Wahl gilt als richtungsweisend für den Kurs der kommenden Jahre: Der Rechtspopulist Geert Wilders könnte mit seiner PVV stärkste Kraft werden und mit seiner Politik gegen den Islam, Einwanderung und Europa das Land prägen.

Integration und Identität sind die beherrschenden Themen im Wahlkampf. Das Wahlprogramm von Wilders' «Partei für die Freiheit» (PVV) umfasst eine DIN A4-Seite. Darin werden elf Punkte genannt, ganz oben steht die «De-Islamisierung» der Niederlande: Alle Moscheen und islamischen Schulen sollen geschlossen werden, der Koran soll verboten und keine Einwanderer aus islamisch-geprägten Ländern sollen mehr aufgenommen werden. Wie Wilders dieses Programm umsetzen würde, ist jedoch unklar - er gibt kaum Interviews und beteiligt sich selten an Debatten der Spitzenkandidaten.

Lange lag die PVV in den Umfragen vorne. Weil aber niemand mit Wilders koalieren will, ist es unwahrscheinlich, dass er tatsächlich an die Macht kommt. In den vergangenen Tagen verlor seine Partei zudem in den Umfragen an Zustimmung, sie liefert sich nun ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der liberal-konservativen VVD von Ministerpräsident Mark Rutte.

Mit seinen «De-Islamisierungs-Plänen» hat Wilders dem Wahlkampf bereits seinen Stempel aufgedrückt. Rutte, der seit 2010 an der Macht ist, forderte in einem offenen Brief in allen Tageszeitungen Ende Januar, all jene sollten gehen, die die Grundwerte des Landes nicht akzeptierten, zum Beispiel die Gleichstellung von Homosexuellen oder die Achtung von Frauenrechten. Selbst die Sozialdemokraten von der PvdA plädieren für eine strengere Einwanderungspolitik und dafür, die Aufnahme von Flüchtlingen zu begrenzen.

Als Wilders Gegenspieler versucht sich der Spitzenkandidat der Linken (SP), Emile Roemer, zu profilieren. Er sagte diese Woche, die Angst vor dem Islam werde den Menschen eingeredet. Gegen Gläubige, die Religion als Rechtfertigung für Gewalt missbrauchten, müsse selbstverständlich vorgegangen werden. «Aber Menschen sind nicht per Definition gefährlich und dürfen nicht über einen Kamm geschoren werden.» Wilders warf Roemer Naivität und eine «gefährliche Leugnungspolitik» vor.

Die Muslime im Land spüren die Auswirkungen des aufgeheizten Wahlkampfs. «Es ist ein Gefühl der Unsicherheit und Angst entstanden», sagt Abdou Menebhi, ein muslimischer Aktivist, der sich für Toleranz engagiert und das Treffen in der Moschee in Amsterdam organisiert hat. Menebhi hat eine Website ins Leben gerufen, auf der Vorfälle gegen Muslime gemeldet werden können. In den vergangenen Monaten seien immer wieder Scheiben von Moscheen eingeschlagen worden, berichtet er. Es habe Übergriffe auf Frauen und Mädchen mit Kopftüchern gegeben. Diese Entwicklung beobachte man schon länger, doch durch den Wahlkampf hätten die Spannungen noch zugenommen.

Die Wissenschaftlerin Inneke van der Valk von der Universität von Amsterdam beobachtet Gewalt gegen religiöse Einrichtungen und Islamophobie in den Niederlanden seit 2005. Die Zahl der Übergriffe auf Muslime und Angriffe auf Moscheen sei noch nie so hoch gewesen wie derzeit, sagte van der Valk dem Fernsehsender NOS.

Aktivist Menebhi besteht darauf, dass nicht «der Islam» eine Gefahr sei, sondern Extremisten - auf beiden Seiten: islamische Fundamentalisten ebenso wie Nationalisten. Für Samstag in einer Woche plant er eine große Demonstration für Toleranz in Amsterdam, im Zuge der internationalen Wochen gegen Rassismus. Nur wenige Tage nach der Wahl, wenn wohl bereits über Koalitionen verhandelt wird, soll es dann auch um Politik gehen: Eine Regierung mit Wilders dürfe es nicht geben, fordert Menebhi. «Wir lehnen jede Regierung mit rassistischer Politik ab.» (epd)

Lesen Sie hierzu auch den Essay von Joris Luyendijk: Was ist mit Holland geschehen?