Halle gedenkt des Synagogen-Anschlags vor einem Jahr

In Halle ist am Freitag an den antisemitischen Anschlag im vergangenen Jahr erinnert worden. «Wir sind empfindlicher geworden als früher», sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde bei einer Gedenkfeier mit dem Bundespräsidenten.

Mit einem Spaziergang evangelischer und katholischer Christen zur Synagoge der Stadt endete am Freitagabend in Halle das ganztägige Gedenken an die Opfer des antisemitischen Anschlags vor einem Jahr. Nach einem Friedensgebet am Freitagabend in der Marktkirche hatte sich trotz strömenden Regens eine große Gruppe Menschen, darunter der mitteldeutsche Bischof Friedrich Kramer und der Bischof des Bistums Magdeburg, Gerhard Feige, auf den Weg zum etwa eine halbe Stunde entfernten jüdischen Gotteshaus aufgemacht. Dabei wurde ein Zwischenstopp für Gebete und Gesang bei dem  Döner-Imbiss eingelegt, der am 9. Oktober 2019 ebenfalls zum Ziel des Attentäters geworden war.

Dabei wurde auch der beiden Todesopfer gedacht. Aus rechtsextremistischer Gesinnung heraus hatte der Täter vor einem Jahr versucht, am wichtigen jüdischen Feiertag Jom Kippur in die Synagoge in Halle einzudringen. Er scheiterte an der Tür und ermordete danach eine 40-jährige Passantin und einen 20-jährigen Gast in dem Döner-Imbiss.

Bei der zentralen Gedenkveranstaltung in der Ulrichskirche rief Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Zusammenstehen der gesamten Gesellschaft gegen Antisemitismus, Rassismus und andere Formen der Ausgrenzung auf. Menschenfeindlichkeit sei ein Angriff gegen die offene Gesellschaft und die Demokratie, sagte Steinmeier.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, sagte, ein normales Leben werde für die Gemeinde so bald nicht wieder möglich sein. «Wir sind empfindlicher geworden als früher», sagte er - auch mit Verweis auf Äußerungen von Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) über entstehende Personalengpässe bei der Polizei aufgrund der Schutzmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen.

Unter den Gästen der Gedenkfeier befanden sich neben Betroffenen und ihren Angehörigen auch der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, Landesbischof Kramer und der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff.

Sachsen-Anhalt Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte, noch vor einem Jahr sei für ihn eine solche schreckliche Tat undenkbar gewesen. Er sicherte der jüdischen Gemeinschaft im Land die Unterstützung von Politik und Gesellschaft zu. So entstünden im Land derzeit zwei Synagogen-Neubauten darunter in Dessau, aus deren jüdischer Gemeinde einst der Philosoph Moses Mendelsohn (1729-1786) hervorgegangenen sei.

Vor der Gedenkfeier war im Innenhof der Synagoge ein Mahnmal mit der beim Anschlag beschädigten Tür als Kernstück eingeweiht worden. Dabei hatte Zentralrats-Präsident Schuster zu Respekt und Toleranz aufgerufen. Zudem war an dem Döner-Imbiss eine Gedenkplatte enthüllt worden.

Den ganzen Tag über wurde in Halle auf vielfältige Art den Opfern des Anschlags gedacht. So läuteten punkt 12.01 Uhr, dem Zeitpunkt, als vor einem Jahr die ersten Schüsse auf die Eingangstür der Synagoge abgefeuert wurden, die Glocken aller Kirchen der Stadt. Mehrere hundert Menschen hielte zugleich auf dem Marktplatz für mehrere Minuten inne. Auf dem Gelände des Steintor-Campus der Luther-Universität wurde zudem eine Ausstellung eröffnet, die den Opfern des Anschlags eine Stimme geben soll. (epd)