Gericht ordnet Freilassung des pro-kurdischen Politikers Demirtas an

Fast drei Jahre sitzt der türkische Oppositionspolitiker und Erdogan-Gegner Demirtas in Untersuchungshaft. Nun ordnet ein Gericht seine Freilassung an. Sofort kommt er jedoch nicht aus dem Gefängnis.

Ein Gericht in der türkischen Hauptstadt Ankara hat die Freilassung des seit fast drei Jahren inhaftierten pro-kurdischen Politikers Selahattin Demirtas im Hauptverfahren angeordnet. Allerdings werde Demirtas zunächst im Gefängnis bleiben müssen, weil er bereits in einem anderen Verfahren rechtskräftig verurteilt wurde, schrieb einer seiner Anwälte, Mahsuni Karaman, am Montag auf Twitter.

Die Anwälte hätten einen Antrag auf Anrechnung der Haftzeit gestellt und ebenfalls beantragt, dass Demirtas auf Bewährung entlassen werde. Er erwarte deshalb, dass sein Mandant bald freikomme, schrieb Karaman weiter. Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP forderte die «sofortige» Freilassung ihres ehemaligen Vorsitzenden.

Demirtas sitzt seit November 2016 in Untersuchungshaft. Gegen ihn laufen zahlreiche Prozesse. Im Hauptverfahren in Ankara werden ihm unter anderem Leitung einer Terrororganisation und Terrorpropaganda vorgeworfen. Im Dezember 2018 hatte ein Berufungsgericht in Istanbul eine Haftstrafe von vier Jahren und acht Monaten wegen Terrorpropaganda gegen Demirtas bestätigt.

Im vergangenen Jahr hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geurteilt, dass die lange Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt sei und die Freilassung von Demirtas angeordnet. Die Türkei muss als Mitglied des Europarats Urteile des EGMR eigentlich umsetzen - Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte allerdings gesagt, er fühle sich an dieses nicht gebunden.

Zahlreiche Anwaltskammern warfen der Regierung am Montag vor, die Gewaltenteilung zu untergraben und boykottierten am Montag einen Empfang im Präsidentenpalast. Nach Angaben der Zeitung «Cumhuriyet» boykottierten 52 von 79 Anwaltskammern die Veranstaltung, die jedes Jahr zur Eröffnung des Gerichtsjahrs nach der Sommerpause stattfindet.

Die Kammern kritisierten, dass die Veranstaltung in Erdogans Palast abgehalten wurde und kritisierten, dass «ein Großteil der Grund- und Freiheitsrechte, allen voran die Meinungsfreiheit» in der Türkei vernichtet worden seien. Erdogan bezeichnete die Vorwürfe in einer Rede als «haltlos» und sagte, es handele sich um «fanatische und provokative Anmaßungen».

Demirtas war bis Februar 2018 Chef der HDP. Er nahm nach Angaben der Zeitung «Cumhuriyet» aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Fortsetzung seines Hauptverfahrens in Ankara teil und wurde demnach aus dem Gefängnis im westtürkischen Edirne heraus per Video zugeschaltet. Erdogan hält die HDP für den verlängerten Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und hat Demirtas immer wieder als «Terroristen» bezeichnet. (dpa)