Claudia Roth verurteilt Prozess gegen türkischen Bürgerrechtler Osman Kavala

Die Grünen-Politikerin Claudia Roth hat scharfe Kritik am Prozess gegen den türkischen Bürgerrechtler und Kulturmäzen Osman Kavala geäußert, der am Montag in Istanbul beginnt. Die Anklageschrift gegen Kavala und 15 weitere Vertreter der türkischen Zivilgesellschaft sei "eine Farce", sagte die Vizepräsidentin des Bundestags vor Beginn der Verhandlung im Gefängnis Silivri bei Istanbul. Alle wüssten, dass nichts dahinter stecke.

Der Prozess sei ein "brandgefährliches Verfahren", sagte Roth. Wenn schon eine solch bekannte Persönlichkeit wie Kavala vor Gericht gezerrt werden könne, "dann ist das ein Signal zu sagen, dann kann es jeden treffen". Dies führe zu Angst und Selbstzensur in der Zivilgesellschaft. Sie sei auch als Beobachterin in Istanbul um zu zeigen, dass sich die deutsche Politik auch einsetze, wenn es nicht um deutsche Bürger gehe, sagte Roth.

Kavala und 15 weitere Angeklagte sind des "Versuchs zum Sturz der Regierung" von Recep Tayyip Erdogan angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, die regierungskritischen Gezi-Proteste im Sommer 2013 finanziert und organisiert zu haben. Als Beweise führt die Anklageschrift vor allem Treffen mit Vertretern ausländischer Organisationen an, darunter auch ein deutscher Diplomat. International stößt der Prozess auf scharfe Kritik.

"Es gibt überhaupt keine Beweise, dass Osman Kavala der Führer von Gezi war, dass er das finanziert hat oder das in Richtung eines Coup d'état ging", sagte Roth, die das Verfahren gegen Kavala zusammen mit der Grünen-Europaabgeordneten Rebecca Harms verfolgt. Sie äußerte die Hoffnung, dass sich nicht nur Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), sondern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu dem Prozess äußert.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Bärbel Kofler, bezeichnete den Prozessauftakt als "schwarzen Tag für die türkische Zivilgesellschaft". In einer gemeinsamen Erklärung mit dem französischen Botschafter für Menschenrechte, François Croquette, würdigte sie Kavala "als herausragendes Beispiel für kulturelles und bürgerschaftliches Engagement". Eine starke Türkei brauche "mehr, nicht weniger Stimmen seines Kalibers", mahnte sie. (AFP)