Fragen & Antworten: Ausländische IS-Kämpfer in Syrien: Was kann Europa tun?

US-Präsident Donald Trump fordert von Europa mehr Verantwortung bei der Rücknahme von gefangenen IS-Kämpfern in Syrien. Er droht sogar damit, die Dschihadisten freizulassen. Von Simon Kremer und Jörg Blank

Vor dem militärischen Ende der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und dem geplanten Truppenabzug der Amerikaner hat US-Präsident Donald Trump von den Europäern verlangt, mehr als 800 IS-Kämpfer zurückzunehmen. Auch Deutschland sprach der US-Präsident dabei direkt an. Wer die Kämpfer gefangen genommen hat, wird nicht ganz klar - Trump spricht von «wir». Wichtige Fragen und Antworten:

Wie viele Deutsche befinden sich in Gefangenschaft in Syrien? 

Die genauen Zahlen sind nicht klar. Das Auswärtige Amt in Berlin spricht nur davon, Kenntnis von Fällen deutscher Staatsangehöriger zu haben, die sich in Nordsyrien in Gewahrsam befinden sollen. Der IS-Experte Peter Neumann vom Londoner Kings College schätzt, dass es «einige Dutzend bis 100 Deutsche» seien - inklusive Frauen und Kinder. Denn viele IS-Kämpfer haben in Syrien Familien gegründet und Kinder bekommen.

Wo befinden sich die Gefangenen?

Am militärischen Vorrücken gegen den IS waren in Syrien vor allem die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) beteiligt. Sie werden von einer Kurdenmiliz angeführt und von den USA unterstützt. Die Gefangenen werden vor allem in Gefängnissen und Lagern in Nordsyrien festgehalten. Die Kurden sprechen von mehreren Hundert ausländischen IS-Gefangenen. Die genauen Angaben variieren, weil mal nur von Kämpfern die Rede ist, mal Frauen und Kinder mitgezählt werden.

Kann Deutschland seine Staatsangehörigen zurückholen?

Die Deutsche Botschaft in Syrien ist seit 2012 geschlossen, daher ist eine konsularische Betreuung nicht möglich. Experten weisen aber darauf hin, dass es durchaus möglich sei, die Gefangenen zum Beispiel an der Grenze zur Türkei oder zum Irak von den Kurden in Empfang zu nehmen, um sie dann nach Deutschland zurückzubringen. Offiziell erkennt Deutschland die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien nicht an. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin heißt es, die Bundesregierung prüfe Optionen, um deutschen Staatsangehörigen besonders in humanitären Fällen eine Ausreise aus Syrien zu ermöglichen. Dabei könnten auch informelle Kontakte des Bundesnachrichtendienstes zu syrischen Stellen eine Rolle spielen.

Wie steht es um die Rücknahme von IS-Gefangenen im Irak?

Auch im Irak befinden sich mehrere deutsche Staatsbürger in Haft. Nach Angaben des Auswärtigen Amts vom vergangenen August liegen die Zahlen im unteren zweistelligen Bereich. Einige wurden bereits von der irakischen Justiz zu hohen Strafen verurteilt. Überwiegend handelt es sich um Frauen. In Einzelfällen hat Deutschland bei der Rückführung von Frauen mit Kleinkindern nach Deutschland geholfen.

Droht den IS-Anhängern in Deutschland eine Strafe?

Eine Strafverfolgung ist häufig aufgrund der Beweislage schwierig. In deutschen Sicherheitskreisen hieß es, selbst wenn in Syrien inhaftierte mutmaßliche IS-Kämpfer nach Deutschland zurückgebracht würden, müsse ihnen bei der Einreise eine Beteiligung am bewaffneten Kampf im Kriegsgebiet nachgewiesen werden. Wenn beispielsweise kein Haftbefehl vorliege, dürfte das kompliziert sein. Allerdings sind in mehreren Fällen bei zurückgekehrten oder zurückgeholten IS-Anhängern Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Es hat in der Vergangenheit auch schon Verurteilungen vor allem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gegeben.

Wie gehen andere Staaten mit dem Problem um?

Frankreich hat angekündigt, demnächst 130 französische IS-Anhänger aus Syrien zurückholen zu wollen. In Großbritannien wird heftig über eine Rückholung diskutiert. Innenminister Sajid Javid lehnt eine Rücknahme ab, Justizminister David Gauke weist jedoch darauf hin, dass dies zu rechtlichen Problemen führen könne, weil man Menschen nicht staatenlos machen dürfe. 

Wie viele Personen aus Europa haben sich auf den Weg zum IS gemacht?

Es wird geschätzt, dass sich 5.000 bis 6.000 Personen aus Westeuropa dem IS in Syrien und im Irak angeschlossen haben. Ein Drittel von ihnen ist vor Ort ums Leben gekommen, ein Drittel ist bereits wieder zurück und der Rest befindet sich noch vor Ort: Entweder sind die Kämpfer untergetaucht oder sie befinden sich in Haft.

Welche Zahlen von Deutschen im Kriegsgebiet sind gesichert?

Nach Angaben deutscher Sicherheitsbehörden sind seit 2013 gut 1050 Personen in Richtung des Kriegsgebiets in Syrien und im Irak ausgereist, um sich am «Heiligen Krieg» («Dschihad») zu beteiligen. Rund ein Drittel dieser Menschen - also wohl mehr als 300 - ist nach Deutschland zurückgekehrt. Zu rund 200 dieser Ausgereisten haben die Behörden Erkenntnisse, dass sie im Kriegsgebiet umgekommen sind.

Wie viele Frauen und Kinder aus Deutschland sind nach dort?

Nach Angaben des Innenministeriums sind noch etwa 270 deutsche Frauen und deren Kinder im Kriegsgebiet in Syrien und im Irak. Etwa 75 Prozent dieser Kinder sind nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden unter drei Jahre alt. Es sei davon auszugehen, dass diese Kinder im «Dschihad»-Gebiet geboren worden seien. (dpa)