UN-Gesandter fordert Verzicht auf C-Waffen in Kampf um Idlib

Angesichts der zunehmenden Anzeichen für eine bevorstehende Offensive gegen die letzte Rebellenhochburg in Syrien hat der UN-Sondergesandte vor einem Einsatz von Chemiewaffen gewarnt. Sowohl das syrische Militär als auch die islamistische Al-Nusra-Front wären bei einem Kampf um Idlib in der Lage, Chlor als Kampfstoff einzusetzen, sagte Staffan de Mistura am Donnerstag in Genf. Er rief Russland, dieTürkei und den Iran auf, eine Schlacht zu verhindern, die Millionen von Zivilisten treffen und sich zu einer Katastrophe über Syrien hinaus entwickeln könnte. Das russische Präsidialamt erklärte dagegen, Idlib sei ein Hort des Terrorismus. Abzuwarten sei deswegen keine gute Alternative.

Nach den jüngsten Siegen der syrischen Armee in dem seit sieben Jahren anhaltenden Bürgerkrieg sind Hunderttausende Rebellen unterschiedlicher politischer Ausrichtung sowie islamistische Extremisten nach Idlib und in einige angrenzende Gebieten gebracht worden. Von den etwa drei Millionen Menschen dort sind 1,8 Millionen Flüchtlinge.

Zwar befänden sich in Idlib auch schätzungsweise "10.000 Terroristen", sagte De Mistura. Es sei trotzdem besser, Korridore zu schaffen, um die Bevölkerung zu evakuieren. Es gebe keine Berechtigung, schwere Waffen gegen die Extremisten in dicht besiedelten Gebieten einzusetzen. Fehleinschätzungen könnten unbeabsichtigte Folgen haben wie den Einsatz von Chemiewaffen. "Warum die Eile?", fragte De Mistura. Es sei besser, sich Zeit zu für weitere Gespräche zu nehmen.

Syriens Außenminister Walid al-Mualem sprach der amtlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge bei einem Besuch in Moskau von der "letzten Phase bei der Lösung der Syrien-Krise und der Befreiung unseres ganzen Landes vom Terrorismus". Sein Land verfüge über keine Chemiewaffen. Mualem traf sich mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow. Dieser hatte am Mittwoch die Rebellenenklave als ein "eiterndes Geschwür" beschrieben, das entfernt werden müsse.

Nach Angaben aus regierungsnahen syrischen Kreisen ist eine stufenweise Offensive gegen Idlib geplant. Russland hat seine Flottenpräsenz im östlichen Mittelmeer massiv verstärkt. Eine Auswertung von Fotos der Nachrichtenagentur Reuters ergab, dass mindestens drei Fregatten sowie Korvetten und Landungsschiffe den Bosporus durchquert haben. Das Verteidigungsministerium gab am Donnerstag ein Marine-Manöver vom 01. bis 08. September in der Region bekannt. Daran sollen unter anderem 25 Kriegsschiffe und strategische Bomber teilnehmen. Der russische Präsidialamtssprecher erklärte dazu, die Übung sei angesichts der schwierigen Lage in Syrien gerechtfertigt.

Im Bürgerkrieg sind neben Russland auch weitere ausländische Staaten verwickelt. Idlib grenzt an die Türkei, deren Armee in Absprache mit den Regierungen in Moskau und Teheran Beobachterposten in der Region eingerichtet hat. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu warnte jüngst vor einem Massaker, sollte die Provinz bombardiert werden. Die Türkei befürchtet zudem eine Flüchtlingswelle als Folge einer Offensive.

Am Montag hatten sich auch US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel besorgt über die Entwicklung um Idlib geäußert und die Regierung in Moskau aufgefordert, zu einer Deeskalation beizutragen. (Reuters)