Flucht in den Krieg: Von Afrika nach Jemen

Viele Menschen am Horn von Afrika fliehen übers Meer - nicht nach Europa, sondern Richtung Saudi-Arabien. Häufig erreichen sie ihr Ziel nicht, sondern landen im Bürgerkriegsland Jemen, inmitten von Gewalt. Von Martina Schwikowski

Auch gestern erreichten wieder vier Boote den Süden Jemens, mehrere hundert Menschen an Bord. Das berichtet das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Ende Januar war im Golf von Aden, vor der Küste Jemens, ein Boot mit etwa 300 Flüchtlingen aus Äthiopien und Somalia gekentert. Bei der Katastrophe auf See starben mehr als 30 Menschen.

Die afrikanischen Flüchtlinge hatten es bereits in den Jemen geschafft. Doch die humanitäre Krise in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land veranlasste sie, sich Schmugglerbanden anzuschließen. Sie wollten wieder zurück nach Dschibuti am Horn von Afrika. Auf der Rückkehr passierte das Unglück.

"Auf dem Boot brach Panik aus", sagt UNHCR-Sprecher William Spindler in einem Interview mit DW. So hat er es von Geretteten erfahren. "Die Schmuggler hatten auf hoher See plötzlich mehr Geld gefordert. Viele Menschen konnten nicht mehr bezahlen, da schossen die Schleuser auf sie." Er vermutet, dass die Zahl der Toten noch höher ist, als bisher angenommen.

"Die Menschen fliehen und riskieren ihr Leben, weil sie keine andere Wahl haben", sagt Spindler. Viele fliehen vor Krieg, Folter und Verfolgung und können nicht in ihre Heimatländer zurückkehren."

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen im vergangenen Jahr rund 87.000 Menschen aus Äthiopien und Somalia über das Meer nach Jemen.

Armut und unzureichende wirtschaftlichen Möglichkeiten in der Heimat, aber auch Verfolgung, Folter und Menschenrechtsverletzungen sind Gründe, die laut Spindler von UNHCR zu ihrer Flucht beitragen. Die Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) der Vereinten Nationen müssten endlich umgesetzt werden, um die Ursachen der Migration langfristig zu bekämpfen, richtet Spindler einen Apell an die internationale Gemeinschaft. Zu den acht Entwicklungszielen, die bis 2015 erreicht sein sollten, gehört unter anderem die Halbierung der Anzahl der weltweit in Armut lebenden Menschen.

"In der Zwischenzeit muss mehr getan werden, um den Flüchtenden Alternativen zu bieten. Wir müssen ihnen sichere und legale Wege aufzeigen", fordert Spindler. Die sieht er zum Beispiel in der Umsiedlung von Flüchtlingen, Zusammenführung von Familien und in Studentenvisa für Flüchtlinge.

Der Kontrast zwischen Arm und Reich könnte nicht größer sein: die Arabische Halbinsel mit den Ölmilliarden und Glitzerpalästen Saudi-Arabiens und der Golfstaaten im Norden liegen auf der einen Seite. Gegenüber, am Horn von Afrika, liegt mit Somalia eines der ärmsten Länder weltweit, das sich vom jahrelangen Bürgerkrieg noch nicht erholt hat. Dazwischen liegt Jemen.

Die jemenitische Regierung war im Jahr 2014 von den schiitischen Huthi-Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa und großen Teilen des Nordjemen vertrieben worden. Danach hatte sie sich nach Aden zurückgezogen. Seit März 2015 führt eine von Saudi-Arabien geleitete arabische Militärkoalition einen Luftkrieg gegen die Huthi. Schätzungen zufolge wurden seither in dem ärmsten Land der arabischen Welt etwa 10.000 Menschen getötet und Zehntausende verletzt. 2,9 Millionen Binnenflüchtlinge müssen in den verschiedenen Lagern des Landes versorgt werden, 17 Millionen Menschen (von insgesamt ca. 27 Millionen) haben keinen sicheren Zugang zu Nahrung.

Der Golf von Aden, der Somalia und Jemen trennt, ist eine der wichtigsten Seehandelsrouten der Welt. Er ist Teil der Meeresverbindung zwischen Europa und Asien. Die Migration zwischen dem Horn von Afrika und der Arabischen Halbinsel findet ebenfalls auf diesem Handelsweg statt.

"Der Migrationsweg nach Saudi-Arabien ist aber kein neuer Trend", sagt Catherine Northing von der IOM im DW-Interview. "Somalische und äthiopische Flüchtlinge sind schon früher durch den Golf von Aden gereist, um nach Saudi-Arabien zu gelangen." Überraschend sei jedoch, dass sie trotz des verheerenden Krieges nach Jemen flüchten. IOM-Mitarbeiter beobachten die Küsten und sprechen mit den Einheimischen, um nach neuen Ankömmlingen aus den Fluchtländern zu suchen. Ihre medizinischen Teams liefern Versorgung.

Somalier besitzen Flüchtlingsstatus in Jemen und können sich an UNHCR wenden. Aber der Krieg macht die Lage unübersichtlich, viele Flüchtlinge sind Gewalt, Missbrauch und Verhaftung ausgesetzt. Andere arbeiten auf Farmen, auf denen die Droge Kat angebaut wird, um Geld für ihre Weiterreise zu verdienen. "Wenn sie keinen Ausweg mehr sehen, wenden sie sich manchmal an uns, und wollen in ihre Länder zurückkehren", sagt Northing von IOM. Ihre Organisation versucht, sie dann auf sicherem Weg zurückzubringen. Doch viele vertrauen auch auf dem Rückweg ihr Leben den Schleppern an. (DW)