UN-Generalsekretär fordert Ende der Gewalt gegen Rohingya-Minderheit in Myanmar

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat die Regierung in Myanmar aufgerufen, die Gewalt gegen die muslimische Rohingya-Minderheit im Bundesstaat Rakhine zu stoppen. Die Rohingya müssten ein "normales Leben" führen dürfen, sagte Guterres am Dienstag in New York. Das Leiden dieser Menschen und ihre "ungelöste Notlage" dauere bereits "viel zu lange an und werde ein unleugbarer Faktor regionaler Destabilisierung". Bereits in der vergangenen Woche hatte Guterres die myanmarischen Sicherheitskräfte aufgerufen, eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden.   

Die Gewalt in Myanmar treibt immer mehr Menschen in die Flucht: Die UN erklärte am Dienstag, im Nachbarland Bangladesch seien inzwischen 123.600 Flüchtlinge angekommen. Die meisten von ihnen gehörten zur muslimischen Rohingya-Minderheit. Alleine in den vergangenen 24 Stunden seien rund 37.000 Menschen aus Myanmar geflohen, hieß es in der UN-Mitteilung weiter. Grund sind Kämpfe zwischen der Armee und Rohingya-Rebellen in Myanmars westlichem Bundesstaat Rakhine. Dabei wurden seit Ende August hunderte Menschen getötet.

Die Muslime gelten als eine der am meisten verfolgten Minderheiten der Welt. Weite Teile der buddhistischen Mehrheit in Myanmar betrachten sie als illegale, staatenlose Einwanderer aus Bangladesch, obwohl viele der Rohingya schon seit Generationen in Myanmar leben.

Die Kinderhilfsorganisation Unicef schlägt Alarm angesichts der dramatischen Situation vieler Kinder in Myanmar. Man habe derzeit keinen Zugang zu den besonders betroffenen Gebieten im nördlichen Teilstaat Rakhine, teilte das Hilfswerk der Vereinten Nationen am Dienstagabend in New York mit. "Wir sind momentan nicht in der Lage, die 28.000 Kinder dort zu erreichen, denen wir bisher psychosoziale Betreuung anbieten konnten, und die mehr als 4.000 Kinder, die wegen Unterernährung behandelt wurden", erklärte Unicef-Exekutivdirektor Anthony Lake: "Unsere Wasserversorgung und Abwasserentsorgung wurde unterbrochen, ebenso die Schulreparaturen, die im Gange waren."

Noch immer lebten sehr viele Kinder, die Unterstützung und Schutz benötigten, in dem besonders von Gewalt geplagten Gebiet. "Kinder auf beiden Seiten der Grenze brauchen dringende Hilfe und Schutz", betonte Lake.

Als "Rohingya" bezeichnen sich die rund eine Million Muslime in Myanmars Teilstaat Rakhine (ehemals Arakan). Etwa eine weitere Million Rohingya leben als Flüchtlinge in Nachbarländern. Sie verstehen sich selbst als eigenständige ethnisch-religiöse Gruppe und gelten als eine der am stärksten verfolgten Minderheiten der Erde.

Seit Beginn der politischen Reformen in Myanmar 2011 hat sich die Lage der Rohingya zusehends verschlechtert. Seit Oktober 2016 geht die Armee Myanmars wegen angeblicher Angriffe auf Grenzposten mit kompromissloser Härte gegen die Rohingya vor. Die Vereinten Nationen sprechen von "Völkermord" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Auch die Flüchtlinge, die bereits in Bangladesch angekommen sind, sind dort unwillkommen und dürfen weder arbeiten noch heiraten oder sich frei bewegen.

Unterdessen hat sich die Türkei in die humanitäre Krise um die muslimische Minderheit der Rohingya eingeschaltet. Noch am Mittwoch werde die Lieferung von tausend Tonnen Hilfsgütern anlaufen, kündigte Präsidentensprecher Ibrahim Kalin am Dienstag an. Die Türkei will Reis, getrockneten Fisch und Kleidung ins Krisengebiet bringen. Die Hilfe werde von der staatlichen Agentur für Zusammenarbeit (Tika) koordiniert, sagte Kalin. Militärhubschrauber sollten die Hilfsgüter in zwei Bezirke des Bundesstaats Rakhine bringen. Die Tika sei die erste staatliche ausländische Hilfsorganisation, die angesichts der aktuellen Krise die Erlaubnis erhalten habe, Hilfe direkt zu den Rohingya in Myanmar zu bringen.

"Deutschland und die Europäische Union sollten dringend Rohingya-Flüchtlinge aus Bangladesch aufnehmen", forderte der Grünen-Politiker Beck. Das Land sei mit der Aufnahme der aus Myanmar fliehenden Muslime "restlos überlastet". Beck warnte vor einer weiteren Verschärfung der Lage in Bangladesch: "In den Lagern an der Grenze herrscht nacktes Elend, und die Menschen haben in Bangladesch keinerlei Aussicht auf Integration", betonte er. Dies sei eine klassische Situation, in der Deutschland und die EU Flüchtlinge aus Drittstaaten über sogenannte Resettlement-Programme aufnehmen müssten, sagte der Grünen-Politiker.

Mitverantwortlich für die Flüchtlingskrise machte Beck die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die in Myanmar de facto als Regierungschefin fungiert. Die Verantwortlichkeiten müssten geklärt werden, forderte er. Es bestehe der Verdacht "von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid" gegen die Rohingya. (AFP/KNA)

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