Verfolgt und verhaftet: Kritiker und Minderheiten werden im Maghreb bedroht - ein Überblick

Die Bundesregierung will die drei Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern erklären. Doch viele Menschen riskieren dort Verfolgung. Ein Überblick

Algerien, Marokko und Tunesien gehören zum Maghreb, wie der Nordwesten Afrikas genannt wird. Die drei Staaten gelten als relativ stabil. Die Bundesregierung will sie zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, um Flüchtlinge leichter ablehnen und zurückschicken zu können. Der Bundestag hat dies bereits beschlossen. Ein entsprechender Beschluss im Bundesrat scheiterte bislang am Widerstand der Grünen. An diesem Freitag befasst sich die Länderkammer erneut mit dem Thema.

Menschenrechtler beklagen anhaltende Missstände in Algerien, Marokko und Tunesien. Dazu gehören Folter, Unterdrückung der Opposition, Verfolgung von Homosexuellen und Missachtung von Frauenrechten. Zudem fliehen junge Menschen, weil sie in den Ländern kaum Arbeit finden und keine Perspektive sehen.

ALGERIEN: Das erdölreiche Land wird Experten zufolge faktisch von Militär und Geheimdienst regiert. Es gibt Anschläge islamistischer Gruppen und Gefechte mit Sicherheitskräften. Präsident Abdelaziz Bouteflika, der am 2. März 80 Jahre alt wurde, ist seit 1999 an der Macht. Obwohl er schwer krank ist, wurde er 2014 wiedergewählt. Seit Jahren trat er nicht mehr öffentlich auf. Menschenrechtler beklagen Repressionen und Verstöße gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Unabhängige Gewerkschaften, Journalisten und Aktivisten werden unterdrückt, Homosexuelle verfolgt.

Es gibt Verurteilungen wegen Beleidigung staatlicher Institutionen und des Islam. Zudem ergehen weiter Todesurteile, auch wenn seit Jahren keine Hinrichtung mehr erfolgte. Algerien verweigert UN-Experten zu Folter die Einreise. Auch wer friedlich gegen die hohe Arbeitslosigkeit demonstriert, riskiert seine Verhaftung. Der Fall der Öl- und Gaspreise hat die Lebensbedingungen weiter verschlechtert.

MAROKKO: Das Land gilt als stabilste Insel im Maghreb. Während der «arabische Frühling» andere Länder Nordafrikas seit Ende 2010 heftig erschütterte, währten die Proteste in Marokko nur kurz. König Mohammed VI. ließ politische Reformen und eine neue Verfassung erarbeiten. Doch der Reformkurs ist nach Ansicht von Menschenrechtlern inzwischen neuen Repressionen gegen Kritiker gewichen.

Homosexuellen drohen Strafen. Auch viele Journalisten, Aktivisten und zivilgesellschaftliche Gruppen werden wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit oder wegen Diffamierung verklagt. Amnesty International beklagt Folter und langjährige Haftstrafen nach unfairen, politisch motivierten Prozessen. Hunderte wurden als Terrorverdächtige inhaftiert.

Ziel der Repression sind besonders die Bewohner der von Marokko völkerrechtswidrig annektierten Westsahara. Es werden weiter Todesurteile verhängt, Hinrichtungen erfolgten jedoch seit langem nicht mehr. Viele Menschen verlassen Marokko, vor allem Richtung Frankreich. Nach offiziellen Zahlen ist bereits jeder zehnte Marokkaner ausgewandert. Das Geld, das die Auswanderer nach Hause überweisen, ist mit 6,1 Milliarden Euro (2015) eine der wichtigsten Einnahmequellen der Bevölkerung.

TUNESIEN: Sechs Jahre nach der «Jasmin-Revolution» und der Flucht von Diktator Zine Ben Ali versucht Tunesien weiter, einen Rechtsstaat aufzubauen. Doch nach mehreren Terrorangriffen auch auf Touristenziele hat die demokratisch gewählte Regierung die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Journalisten riskieren Verurteilungen wegen Verunglimpfung der Armee oder eines Beamten. Notstandsgesetze werden unter Präsident Béji Caïd Essebsi extrem streng angewandt. Laut Amnesty International gibt es glaubhafte Berichte über Folter, Misshandlungen und willkürliche Festnahmen. 15.000 Terrorverdächtige wurden nach Regierungsangaben mit Reiseverboten belegt.

Mehr als 1.000 Verdächtige wurden unter neuen, vage formulierten Terrorgesetzen verhaftet. Die Regelungen gelten als noch restriktiver als die aus der Zeit des diktatorischen Regimes. Schwule, Lesben und andere sexuelle Minderheiten werden in Tunesien in Gesetz und Alltag diskriminiert. Ihnen drohen bis zu drei Jahre Haft. (epd)