Türkischer Justizminister kritisiert Durchsuchungen bei deutschen Ditib-Imamen

Nach den Razzien gegen Ditib-Imame wegen Spionageverdachts hat die türkische Regierung die deutschen Ermittler scharf kritisiert. Justizminister Bekir Bozdag verurteilte die Durchsuchungen am Donnerstag als "klaren Verstoß gegen internationale Abkommen und die deutsche Verfassung". Schließlich sei die Religions- und Glaubensfreiheit dort festgeschrieben, sagte er unter Verweis auf Grundgesetz und Abkommen dem Sender CNN Türk.

Am vergangenen Mittwoch waren in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auf Betreiben der Bundesanwaltschaft die Wohnungen von vier Geistlichen des türkischen Moscheeverbands Ditib durchsucht worden, die im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet Spionage betrieben haben sollen. Dabei ging es laut Behörden um die Sicherung möglicher Beweismittel.

Bozdag, ein Politiker der regierenden AK-Partei, warf den deutschen Behörden darüber hinaus indirekt vor, unter dem Einfluss der Gülen-Bewegung zu handeln. Die Ermittlungen zeigten, wie leicht Deutschland "den Behauptungen von Terroristen Glauben schenkt", sagte der Minister.

Einzelne Ditib-Imame stehen im Verdacht, in Deutschland für die Diaynet Informationen über Anhänger des in der Türkei als Staatsfeind eingestuften Predigers Fethullah Gülen gesammelt und darüber dem türkischen Generalkonsulat in Köln berichtet zu haben. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Spionageverdachts. Diyanet-Leiter Mehmet Görmez will sich am Freitag bei einer Pressekonferenz in Ankara zu den Vorwürfen äußert.

Ausgelöst wurden die Ermittlungen laut Bundesanwaltschaft durch eine Strafanzeige des Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck sowie Erkenntnisse von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst. Die Affäre sorgt seit Wochen für Aufsehen und verschärft die Debatte um die Nähe von Ditib zur türkischen Regierung unter Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Dem Verband gehören mehr als 900 Moscheegemeinden in Deutschland an.

Grünen-Religionsexperte Beck bekräftigte seine Kritik an der Bundesregierung und den deutschen Behörden, die seiner Auffassung nach zu spät mit den Ermittlungen gegen den Verband begannen. Selbst nach seiner Anzeige von Mitte Dezember sei zunächst gar nichts passiert, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Woche" vom Freitag laut einer Vorabmeldung.

Die tatverdächtigen Imame und Religionsattachés hätten dadurch genügend Zeit gehabt, unbehelligt in die Türkei zurückzukehren. Beck warf der Bundesregierung weiter vor, sie habe aus Rücksicht auf das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei so gehandelt.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland warnte indes vor einer Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Ditib. "Ein Abbruch der Kontakte wäre kontraproduktiv", sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoglu den "Ruhr Nachrichten". Sofuoglu verwies darauf, dass Ditib "die einzige gemäßigte islamische Organisation in Deutschland" sei. Ditib müsse die Spitzealaffäre aber lückenlos aufklären, betonte er.

Der Moscheeverband müsse zudem klarmachen, dass er sich "als Religionsgemeinschaft und nicht als politische Organisation versteht", forderte Sofuoglu. Neben den von Ankara eingesetzten Imamen gebe es bei Ditib auch jüngere Türken der zweiten Generation, die im Vorstand säßen und sich dort für Reformen einsetzten. "Eine pauschale Verurteilung und ein Abbruch der Zusammenarbeit würden die Reformbewegung zerstören."

Unterdessen erhöhte die Bundesregierung den Druck auf den Islamverband. "Ditib muss die Ernsthaftigkeit der Vorwürfe endlich begreifen und darauf reagieren", mahnte die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD), in den "Ruhr Nachrichten". (AFP)

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