Netanjahu in Washington - Trumps diplomatische Feuertaufe

Der Nahostkonflikt schwelt seit Jahrzehnten. Dutzende Politiker aus der Region und von den westlichen Verbündeten bissen sich an einer Friedenslösung die Zähne aus. Jetzt ist Donald Trump an der Reihe. Von Stefanie Järkel und Michael Donhauser

Justin Trudeau, Theresa May, Shinzo Abe - das war für Donald Trump an Staatsbesuchen eine Art Warmlaufprogramm gemessen an dem, was am Mittwoch auf ihn zukommt: Benjamin Netanjahu stellt sich im Weißen Haus der neuen Administration vor. Israels Premierminister und politischer Unruheherd im Nahen Osten ist für die Amerikaner geliebter Feind und gehasster Freund zu gleichen Teilen. Und das galt nicht nur für die abgedankte Administration von Barack Obama, unter der die traditionell hochgehaltenen israelisch-amerikanischen Beziehungen ihren Gefrierpunkt erreicht hatten.

Trump, von einflussreichen jüdischen Parteispendern mit auf den Thron gehoben, hat eine Totalumkehr in der Nahost-Politik versprochen. Mit David Friedman installierte er einen Israel-Botschafter, der bisher Konkursanwalt war und politisch unbeschlagen ist. Der Sohn eines Rabbis ist aber als Hardliner in der Nahostfrage bekannt - und als persönlicher Freund von Donald Trump. Mit Jared Kushner hat auch Trumps Berater und Schwiegersohn ein Wörtchen mitzureden - Spross einer strenggläubigen jüdischen Familie.

Erst am Donnerstagabend saß Trump noch mit einem im Weißen Haus zu Tische, der vor ein paar Jahren noch dem Iran eine Atombombe schicken wollte: Sheldon Adelson, schwerreicher Kasinounternehmer, der den Republikaner-Wahlkampf mit insgesamt 65 Millionen Dollar (rund 61 Millionen Euro) speiste. Adelson hält Palästina für eine Erfindung, die ausschließlich zur Zerstörung Israels gedacht sei.

Das alles klingt nicht gut für die Palästinenser. Was den Iran angeht, geht unter westlichen Diplomaten ohnehin die Angst um. «Die USA werden das Atomabkommen nicht aufkündigen, aber es kann gut sein, dass die USA den Iran dazu bringen, es aufzukündigen», sagt einer. Dann droht sich eine Spirale von Aufrüstung und gegenseitigen Drohungen zu entfalten, die gefährlich werden kann.

Doch sollte sich Netanjahu nicht zu sicher sein. Die USA haben international kaum noch Verbündete, die ihre Sicht auf den Nahost-Konflikt teilen. Die Europäer etwa sind mit dem Iran und seiner Einhaltung des Atomabkommens bisher hoch zufrieden. Und: Eine Lösung der Palästinenserfrage soll möglichst länger halten als die Präsidentschaft von Donald Trump, selbst wenn er acht Jahre im Weißen Haus bleiben sollte. Der unberechenbare Trump könnte Israel überraschend zu einem Frieden drängen. Dann bliebe selbst der rechtsgerichteten Regierung in Jerusalem wenig Spielraum - anders als unter Obama.

Netanjahu reist ohnehin zu einer Zeit nach Washington, in der er innenpolitisch massiv unter Druck steht. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsnahme. Er soll unter anderem teure Geschenke von Geschäftsleuten angenommen haben.

Rechts-religiöse Mitglieder der Regierung forderten ihn vor dem Treffen mit Trump zudem auf, die Zwei-Staaten-Lösung mit einem unabhängigen Staat Palästina neben Israel öffentlich aufzugeben. Sie sehen den Amtsantritt des republikanischen Präsidenten Trump als einmalige Chance, ihre Vorstellung eines Israels vom Mittelmeer bis zum Jordan voranzutreiben.

Robbie Sabel, Professor für internationales Recht an der Hebräischen Universität in Jerusalem, ist deswegen davon überzeugt, dass sich Netanjahu nicht öffentlich auf oder gegen die Zwei-Staaten-Lösung festlegen wird. «Das ist ein Minenfeld für ihn», sagt Sabel. Unterstützt Netanjahu das Konzept, vergrätzt er die rechts-religiöse Wählerschaft. Seine internen Kritiker werden weiter gegen ihn vorgehen. Lehnt er sie erstmals ab, gerät Israel international noch stärker unter Druck.

Hadas Cohen, Politikwissenschaftlerin an der Hebräischen Universität, sieht den Ministerpräsidenten ebenfalls im Dilemma. Er sei weniger siedlerfreundlich, als bestimmte Teile der Regierung, sagt Cohen. «Wenn die politische Landschaft sie verfügbar macht, wird er sich für die Zwei-Staaten-Lösung entscheiden.»

Israel hatte 1967 im Sechs-Tage-Krieg unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Seitdem kontrolliert es das Gebiet weitgehend. Mittlerweile leben dort rund 600.000 Israelis. Die Karte des Gebietes - das nach Meinung fast der gesamten Welt eigentlich ein Palästinenserstaat werden soll - sieht aus wie ein Flickenteppich, gespickt mit unzähligen israelischen Siedlungen. Ein zusammenhängendes Staatsgebiet ist praktisch nicht vorhanden.

Professor Sabel erwartet von dem Treffen auch keine Vereinbarung im Umgang mit dem Iran. «Netanjahu wird Trump nicht bitten, das Atomabkommen mit dem Iran aufzuheben, aber dafür sorgen, dass es umgesetzt wird», sagt Sabel. Das israelische Militär gehe davon, dass Israel mit dem Atomabkommen immer noch sicherer sei als ohne – auch wenn das in der israelischen Regierung niemand laut sage. «In den nächsten zehn Jahren wird Iran keine Atombombe bauen», betont der ehemalige Berater des israelischen Außenministeriums. (dpa)