Ditib: Imam-Berichte an Ankara sind eine Panne

Der deutsch-türkische Moscheeverband Ditib hat Berichte von Imamen über Gülen-Anhänger in Deutschland an die türkische Regierung als Panne bezeichnet. Ditib-Sprecher Bekir Alboga räumte aber ein, die türkische Religionsbehörde Diyanet habe schriftliche Aufforderungen über alle türkischen Generalkonsulate an die Imame in der Bundesrepublik verschickt, über die Strukturen der Gülen-Bewegung an Ankara zu berichten.

"Wir als Bundesverband haben von der Kommunikation gar nichts mitbekommen und davon erst aus den Medien erfahren", so Alboga. Der große Verteiler sei "schlicht ein Fehler und so nicht vorgesehen" gewesen, bestätigte er Angaben gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Ziel des Schreibens seien eigentlich nur türkische Vertreter in den muslimisch geprägten Staaten der früheren Sowjetunion gewesen, die die türkische Regierung zuvor um Richtlinien im Umgang mit der Gülen-Bewegung gebeten hätten. Die meisten Religionsattaches in Deutschland hätten sofort gemerkt, dass das Schreiben sie nicht betreffe, und deshalb gar nicht reagiert, so Alboga.

Die Ditib, die der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt ist, hatte noch vor wenigen Tagen den Vorwurf einer Bespitzelung von Gülen-Anhängern zurückgewiesen und von "Unterstellungen" fern der Wirklichkeit gesprochen. Daraufhin legten "Die Welt" und der "Kölner Stadt-Anzeiger" Belege vor, nach denen Imame von Ditib-Moscheen in NRW teilweise sogar Namen von vermeintlichen Gülen-Anhängern an Diyanet gemeldet hatten. Ditib erklärte daraufhin, man werde die Vorwürfe überprüfen. Imame hätten einen religiösen Auftrag. "Wer sein Amt missbraucht, hat mit Konsequenzen zu rechnen."

Die Anhänger der Gülen-Bewegung, die sich selbst auch "Hizmet" ("Dienst" oder "Service") nennt, gelten in der Türkei als Staatsfeinde Nummer eins. Ihnen wird vorgeworfen, im Sommer den Putsch gegen die türkische Regierung organisiert zu haben.

Der katholische Theologe und Islam-Experte Timo Güzelmansur sieht in dem jüngsten Gutachten der türkischen Religionsbehörde Diyanet zur Gülen-Bewegung auch "problematische Aussagen" für das Verhältnis zum Christentum. In dem Papier werde die Organisation des umstrittenen Predigers Fethullah Gülen als "trojanisches Pferd" bezeichnet, die "im Dienste böser Mächte stehe", zitierte der Leiter der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) in Frankfurt.

Diese "bösen Mächte" würden mit den Dialogpartnern der Gülen-Bewegung gleichgesetzt, zu denen auch christliche Vertreter gehören, führte Güzelmansur aus. Zugleich erinnere das Papier an die Koransure 5,51, die gläubigen Muslimen von einem freundschaftlichen Umgang mit Christen und Juden abrate. "Damit macht sich die höchste religiöse Autorität der Türkei eine fragwürdige Sichtweise zu Eigen, die aus wahhabitischen und salafistischen Kreisen bekannt ist", fasste der Theologe und Islam-Fachmann zusammen. Gülen selbst werde mit lehramtlicher Autorität als christlicher Agent bezeichnet, "der durch den interreligiösen Dialog den muslimischen Glauben zerstören will".

Das bereits am 10. Oktober veröffentlichte Gutachten setzt sich aus 20 Einzelbeschlüssen des Hohen Rats für Religion zusammen. Der Rat ist die höchste religiöse Autorität in der Türkei. Dem Gutachten vorangestellt sind eine Ansprache von Diyanet-Präsident Mehmet Görmez sowie Reden von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Parlamentspräsident Ismail Kahraman und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Numan Kurtulmus. Die Spitzenpolitiker hatten Anfang August an einer außerordentlichen Sitzung des Gremiums teilgenommen, auf der die Beschlüsse verabschiedet wurden.

Mit Blick auf Berichte über ein angespanntes Verhältnis zwischen in der Bundesrepublik lebenden Gülen-Anhängern und dem deutsch-türkischen Moscheeverband Ditib äußerte sich Güzelmansur besorgt. Es bleibe zu fragen, welche Konsequenzen das Diyanet-Gutachten für das friedliche Miteinander der Religionen in Deutschland mit sich bringe. "Immerhin erklärt es die Gülen-Bewegung unmissverständlich zu einer terroristischen Organisation, die den Islam verrate und daher im Islam keinen Platz mehr habe", so der Theologe. Es bleibe "dringend zu hoffen, dass Ditib sich solche Diffamierung nicht zu eigen macht". (KNA)