Marokkos grüne Moscheen - Energiewende im Zeichen der Religion

Marokko nimmt eine Vorreiterrolle bei der Energiewende in der arabischen Welt ein. Doch die Bevölkerung ist skeptisch. Jetzt soll die Religion helfen. Von Simon Kremer

Grün soll die Lieblingsfarbe des Propheten Mohammed gewesen sein. Die Dächer vieler Moscheen in Marokko sind daher auch mit grünen Kacheln bedeckt. Jetzt sollen die Gebetshäuser auch energetisch «grün» werden - und schwarze Solarzellen auf den Dächern die Energiewende im Königreich vorantreiben.

Die Sonne glänzt auf den Kacheln auf der As-Sunna Moschee im Zentrum der marokkanischen Hauptstadt Rabat. Und sie verrichtet zuverlässig ihre Arbeit. Vor zwei Jahren wurden, von unten nicht zu sehen, die ersten Solarpanels auf dem Dach installiert.

Die Moschee ist die erste des Landes, die mit Anlagen für erneuerbare Energien ausgestattet wurde. Bis zum Jahr 2019 sollen rund 600 Moscheen «grün» werden, kündigte das Ministerium für religiöse Angelegenheiten in Rabat an. Derzeit laufen die Ausschreibungen für die nächsten 100 Moscheen - passend zum Weltklimagipfel in Marrakesch. Die Moscheen bilden eine zentrale Säule in der Energiewende Marokkos.

«Die Moscheen sind ein extrem spannender Startpunkt», sagt Jan-Christoph Kuntze von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die das Projekt unterstützt. «Sie sind ein zentraler Punkt im Leben vieler Marokkaner und können die Menschen für das Thema sensibilisieren.»

Zunächst sollen staatliche Moscheen in den Ballungsräumen Rabat, Casablanca, Fès und Marrakesch umgebaut werden. Die Solarzellen sollen für Strom und warmes Wasser sorgen, LED-Leuchten den Stromverbrauch senken. Bis zu 40 Prozent des Energiebedarfs soll so eingespart werden. Beim Pilotprojekt, der As-Sunna Moschee in Rabat, seien die Energiekosten von monatlich 600 Euro auf rund 100 Euro gesunken, sagt Ahmed Bouzid, Projektleiter der staatlichen Energieinvestitionsgesellschaft SIE.

«Es geht auch darum, erneuerbare Energien zu entmystifizieren», sagt Bouzid. Immer noch seien viele Menschen skeptisch. Sie hätten Angst, dass die LED-Leuchten die religiöse Atmosphäre zerstören und die Gebetsräume wie Operationssäle aussehen lassen könnten. «Die Menschen sehen den Nutzen noch nicht, weil Energie auch relativ günstig in Marokko ist.» Außerdem gebe es kaum private Firmen, die solche Anlagen installieren und über Jahre warten könnten - weder für normale Verbraucher, noch für die Moscheen.

Begleitet wird das Projekt daher auch mit TV- und Radiospots, Workshops für Geistliche und Fortbildungen für Sanitärfirmen. Technik und Religion sollen Hand in Hand gehen. Denn die «grünen Moscheen» sind Teil eines ambitionierten Projektes: Bis 2020 will Marokko 42 Prozent seiner Energie durch Erneuerbare produzieren. An den Küsten entstehen Windanlagen, Anfang des Jahres eröffnete König Mohammed VI. am Rande der Sahara das erste Kraftwerk des weltweit größten Solarenergie-Komplexes.

Der Monarch forciert die Energiewende auch aus wirtschaftlichen Gründen: Das Land hat kaum eigene Ressourcen, muss Kohle und Öl für die Kraftwerke importieren - und lockt durch die Energiewende auch ausländische Investoren an.

Neben den Moscheen sollen auch weitere öffentliche Gebäude, wie Verwaltungen, Gefängnisse und öffentliche Schulen, nach und nach umgebaut werden. «Es war aber nur logisch, dass wir mit den Moscheen anfangen», sagt Ahmed Bouzid. «Die Gebäude sind im ganzen Land alle ähnlich aufgebaut und haben das ganze Jahr über einen relativ stabilen Energieverbrauch.» Hinzu komme der Bildungsauftrag.

Die Idee des «Öko-Islam» ist dabei nicht neu. Bereits in den 1970er Jahren haben islamische Geistliche versucht, die Bezüge zwischen der theologischen Welt des Koran und dem Umweltschutz herzustellen. Im vergangenen Jahr riefen zahlreiche islamische Geistliche in der «Istanbuler Erklärung» dazu auf, den CO2-Ausstoß zu verringern und mehr regenerative Energien zu verwenden.

Vereinzelt kommt es in Nordafrika und der arabischen Welt schon zu kleineren Initiativen, bei denen ökologisch und nachhaltig zum Beispiel Tourismus oder Aufklärung in Schulklassen betrieben wird - mit der Grundlage des Koran. Marokkos Plan ist jedoch überaus ambitioniert. Marokkos König Mohammed VI., der auch religiöser Führer ist, will vor dem Weltklimagipfel im November in seinem Land ein Zeichen setzen.

Der Startschuss ist mit den ersten hundert Moscheen gesetzt. Insgesamt sind aber mehr als 15.000 Moscheen unter der Leitung des Staates. (dpa)

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