Isoliert und motiviert: Jungunternehmer in Gaza

Der Strom ist nicht stabil, das Internet auch nicht, und manche Materialien gibt es in Gaza schlicht nicht. Israel hat den Küstenstreifen am Mittelmeer aus Sicherheitsgründen abgeriegelt. Trotzdem gründen junge Palästinenser hier ihr eigenes Geschäft. Von Stefanie Järkel

Gaza ist kein Platz für Träume. Trotzdem hält Mohammed Abu Matar an seiner Vision fest: Er will sein eigenes Unternehmen gründen. Mithilfe seines Laptops produziert der 29-Jährige auf einem 3D-Drucker unter anderem Schraubenschlüssel und Zahnräder. Mit diesen Gegenständen will er kaputte Maschinen reparieren statt sie auszumustern. «Ich habe die 3D-Drucker im Internet gesehen und wollte sie auch in Gaza haben», erzählt der junge Mann. Doch den Import hat Israel nicht erlaubt. Stattdessen organisierte sich Mohammed Abu Matar die Rohmaterialien, baute sich selbst einen 3D-Drucker – und will damit nun Geld verdienen.

Rund 150 Jungunternehmen gibt es aktuell im Gazastreifen, schätzt die Organisation Startup Grind, die Neugründer weltweit vernetzt. «Der Aufschwung begann 2010 und 2011, und jetzt haben wir ein funktionierendes Ökosystem für Start-ups», sagt Rafat Abuschaban, der Leiter in Gaza.

Dabei hat Israel vor rund zehn Jahren den Küstenstreifen aus Angst vor der dort herrschenden radikalislamischen Hamas abgeriegelt. Militante Palästinenser greifen Israel bis heute regelmäßig mit Raketen an.

Durch die Blockade durften lange beispielsweise keine Baumaterialien wie Beton eingeführt werden. Heutzutage ist diese Regel deutlich gelockert. Aber Menschen zwischen 16 und 35 Jahren dürfen Gaza nicht verlassen. Ausnahmen sind sehr selten. Regelmäßig fällt für Stunden der Strom aus. Die Arbeitslosenrate liegt unter jungen Menschen bei mehr als 60 Prozent.

2010 hat die Islamische Universität in Gaza deswegen das Projekt Mobaderoon - auf Deutsch «Unternehmer» - gegründet. Es ging darum, den Absolventen eine Chance zu bieten, wie Projektleiter Nadel Abdelnaby sagt. Wer eine Idee für ein Unternehmen hat, kann sich bewerben - zuletzt waren es 880 Anfragen für 23 Förderplätze. Das Geld kommt von dem in Kuwait ansässigen Arabischen Fonds für wirtschaftliche und soziale Entwicklung: umgerechnet rund 740.000 Euro für bisher 83 Start-ups.

Mohammed Abu Matar mit seinem 3D-Drucker ist einer der Teilnehmer von Mobaderoon. «Ich glaube an meine Idee», sagt der studierte Ingenieur. «Aber ohne die Unterstützung von Mobaderoon wäre ich langsamer zum Erfolg gekommen.» Neben umgerechnet rund 3500 Euro Startkapital bekommt er Unterricht in Geschäftsführung und Marketing sowie Kontakte zu erfahrenen Unternehmern. Mittlerweile habe er einen Liefervertrag mit einem Elektronikkonzern, sagt der junge Mann.

Die größten Probleme bei der Unternehmensgründung für Jasmin Sarsur ergeben sich durch die Blockade. «Das Härteste ist die Instabilität in allem: Elektrizität, Politik», sagt die 32-Jährige mit grünem Kopftuch und im schwarzen Kleid. Sie ist Geschäftsführerin von giftbox.ps, einem Online-Geschenkeversand im Gazastreifen.

Jasmin Sarsur hat sich bei einem weiteren Programm für Start-ups beworben: Das Seed Project unterstützt vor allem Menschen, die bereits ein Unternehmen gegründet haben. Das Angebot in Gaza erhält seine umgerechnet rund 133 000 Euro von der in Saudi-Arabien ansässigen Islamischen Entwicklungsbank und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP).

Auf Sarsurs Internetseite können seit Juni 2015 Menschen weltweit unter anderem frisch gebackene Kuchen, Früchtekörbe, palästinensische Stickereien und Blumensträuße für Feiern in Gaza bestellen. Der Online-Handelsriese Amazon liefert dagegen nach eigenen Angaben nur bestimmte Dinge wie Bücher oder DVDs in den abgeriegelten Küstenstreifen am Mittelmeer.

Umgerechnet rund 5300 Euro haben Sarsur und ihre drei Kolleginnen bisher eingenommen. Das Team erhält nun zudem 6200 Euro durch das Projekt. «Unser Traum ist es, weltweit tätig zu sein», sagt Sarsur.

Auch Chalil Salim will mit Hilfe von Seed sein Start-up mit dem englischen Namen Hope (Hoffnung) ausbauen. Der 28-Jährige möchte seine Arabisch-App für Gehörlose für alle Smartphones anbieten. Nach knapp drei Jahren Arbeit gibt es eine einfache Version bisher nur für Windows-Modelle.

Salims Idee ist eine App, die von Arabisch in Gebärdensprache übersetzt - eine Marktlücke, wie er sagt. Für eine fließende Übersetzung brauche er mehr als 10 000 Wörter in kurzen Videos in Gebärdensprache, bisher seien es 2700. Investoren zu finden, gestaltet sich jedoch schwierig. Einladungen zu Konferenzen im Ausland habe er mehrfach absagen müssen. Die Genehmigungen zur Ausreise hätten zu lange gedauert, erzählt er.

Trotz der Anfangsschwierigkeiten müsste, statistisch gesehen, zumindest eines der drei Unternehmen Bestand haben. Startup Grind geht davon aus, dass rund jeder dritte Jungunternehmer in Gaza erfolgreich ist. (dpa)

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