DW-Intendant Limbourg fordert «Menschenverstand» von Journalisten - Wissenschaftler: Differenziertere Berichterstattung über Flüchtlinge und «Pegida» nötig

Kölner Übergriffe, «Pegida», Frauen im Islam: die Integrationsdebatte hat viele Facetten. Sie angemessen abzubilden, ist die Aufgabe von Journalisten. Experten mahnen trotz aller Komplexität zu differenzierteren Berichten.

Der Intendant der Deutschen Welle (DW), Peter Limbourg, hat in der Berichterstattung über Flüchtlinge zur Konzentration auf die journalistischen Kernaufgaben aufgerufen. «Wir Medien sollten über Flüchtlinge berichten wie über jedes andere Thema auch», sagte Limbourg am Mittwoch in Berlin auf einer Konferenz der Civis Medienstiftung für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa. Er forderte die Medienschaffenden dazu auf, wieder den «gesunden Menschenverstand» zu gebrauchen. Mehrere Wissenschaftler und Experten schlossen sich dem an.

Limbourg sagte, Journalisten sollten nichts verschweigen und müssten Fakten wie sonst auch prüfen. Auch sollten sie sich davor hüten, in der Flüchtlingsdebatte eine erzieherische Haltung einzunehmen. Zudem müssten die erheblichen Probleme mit Rechtsradikalen genauso berücksichtigt werden wie Schwierigkeiten bei der Integration von Migranten.

Ein Rückblick auf die Medienberichterstattung von September 2015 bis heute zeige Irritationen und Verunsicherungen unter Journalisten, sagte Limbourg: «Im September waren alle Flüchtlinge gut, unsere europäischen Nachbarn allesamt herzlose und unsolidarische Gesellen, Skeptiker waren schnell in die rechte Ecke gedrängt.» Heute hingegen würden «kulturelle Unterschiede großgeschrieben». Nach den Ereignissen in Köln sei der Flüchtling nun nicht mehr «Teil der Flüchtlingswelle oder der Flüchtlingskrise, sondern er ist Teil des Sexmobs».

Steffen Angenendt von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin verlangte einen stärkeren Willen, innerhalb einzelner Debatten zu differenzieren. Als Beispiel führte er die Diskussion über die Rolle der Frau im Islam an. Angenendt erklärte, dass es auch in muslimisch geprägten Ländern unterschiedliche Frauenbilder mit verschiedenen Bedeutungen gebe. «Hier heißt es immer nur 'das Frauenbild des Islam' - das ist doch Quatsch», sagte er.

Der sächsische Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung, Joachim Klose, kritisierte darüber hinaus Defizite in der Berichterstattung über «Pegida». «Wir nehmen 'Pegida' von der Oberfläche her wahr», sagte er. Meist würden von den 'Pegida'-Anhängern nur deren «asylkritische und fremdenfeindliche Äußerungen» in den Medien abgebildet. Es gebe aber eine «rechtsextremistische Spitze, die sehr bewusst diese Stimmungslage in der Bevölkerung ausnutze», sagte Klose. Davon kämen viele Rechtsextreme auch aus den alten Bundesländern, etwa Holger Apfel oder Jürgen Voigt.

Der Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Andreas Zick, ergänzte, es sei zu wenig bekannt, was in Sachsen an Projekten gegen Rechtsextremismus auf dem Land passiere - und das «mit einer unfassbaren Präsenz, über 20 Jahre».

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz (SPD) lobte hingegen die Flüchtlingsberichterstattung der Medien. Sie habe das Gefühl, so differenziert wie in den letzten Jahren sei in den vergangenen Jahrzehnten nicht berichtet worden, sagte die Staatsministerin. Die Journalisten versuchten, dem Flüchtlingsthema «auf vielen Seiten gerecht zu werden». Sie griffen Stimmungen und Ängste auf, sowohl bei den Deutschen als auch bei den Migranten. (epd)