Prediger gegen Boko Haram: Wie Imame und Priester den Terror in Nigeria bekämpfen

Nigerianer bezeichnen sich gerne als «religiös» oder «sehr religiös». Imamen und Priestern kommt deshalb als Meinungsführern im Kampf gegen die Terrorgruppe Boko Haram eine wichtige Rolle zu. Von Katrin Gänsler

Das Aufatmen im Norden Nigerias ist spürbar. Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram befindet sich in Afrikas Riesenstaat, in dem mehr als 180 Millionen Menschen leben, weiter auf dem Rückzug. Das vermelden nicht nur regelmäßig Sprecher der Armee, auch viele Bewohner empfinden ähnlich.

Musa Tanimu gehört dazu. «Wir haben die Hoffnung, dass das Problem gelöst wird», sagt der Imam der Moschee in Unguwar Rimi, einem Viertel in der nordnigerianischen Stadt Kaduna. Als Hauptgrund für seinen Optimismus nennt er die diesjährige Wahl von Muhammadu Buhari zum Präsidenten.

Tatsächlich mächtig und gefährlich geworden sei Boko Haram schließlich erst unter dessen Vorgänger Goodluck Jonathan. «Es gab so viele Versprechen, aber keine Taten», kritisiert der Imam. Buhari sei wesentlich aktiver. «Er hat beispielsweise viele Straßensperren aufheben lassen.»

Diese galten in Nigeria über Jahre hinweg als einzig sichtbare Maßnahme gegen die Terrormiliz. Doch die Sperren brachten keine Sicherheit, sondern neue Probleme: stundenlange Staus, zusätzliche Angriffspunkte für weitere Terroranschläge, Einnahmequellen für korrupte Staatsdiener.

Dass die Miliz, die sich 2002 gründete, längst nicht mehr so präsent wie noch vor einem Jahr ist, spürt Imam Tanimu auch bei seinen Freitagsgebeten. «Es gab Zeiten, in denen ich über nichts anderes predigen konnte.» Da die Anschläge nachgelassen hätten, bleibe ihm heute Zeit für andere Themen.

Musa Tanimu gibt zu, offen für Buhari - selbst Moslem und zeitweise wohnhaft in Kaduna - zu werben. «Ich fordere meine Leute auf, seine Politik zu unterstützen. Für die vorherige Regierung hätte ich das nie getan.» Für und nicht gegen Buhari zu arbeiten, ist seiner Meinung nach der wichtigste Schritt zur weiteren Bekämpfung des Terrors.

Dass ein Geistlicher so deutliche Worte für einen Staatschef ergreift, ist in Nigeria keine Ausnahme. So machte Ayo Oritsejafor, Präsident der christlichen Vereinigung Nigerias, dem Dachverband aller christlichen Kirchen im Land, keinen Hehl daraus, Ex-Präsident Jonathan zu unterstützen. Er soll diesem sogar prophezeit haben, wiedergewählt zu werden.

Selbst Boko Haram pflegt enge Kontakte zu Politikern. So wird dem ehemaligen Gouverneur der Provinz Borno, Ali Modu Sheriff, ein guter Draht zum inzwischen verstorbenen Gründer Mohammed Yusuf nachgesagt. Ein religiöser Meinungsführer, der massenhaft junge Menschen anzieht, wird nicht selten von Politikern umworben. Manchmal heißt es sogar, der Gouverneur habe Yusuf einen Ministerposten versprochen. Sheriff bestreitet dies jedoch vehement.

Statt Wahlwerbung zu machen, will Yohanna Buru, Pastor der «Christ Evangelical Church» im Süden von Kaduna, dazu beitragen, dass Christen und Muslime sich gegen die Terrorgruppe vereinen. «Es gab Zeiten, in denen Christen jeden Muslim als potenziellen Dschihadisten und Terroristen angesehen haben», erinnert er sich. Durch die Anschläge auf Moscheen habe sich das Bild aber gewandelt.

Für Buru ist nun der ideale Zeitpunkt gekommen, um gemeinsam etwas gegen den Terrorismus zu unternehmen. «Ich habe schon mehrfach in einer Moschee gepredigt», sagt er stolz. Damit wolle er Flagge zeigen und dafür sorgen, dass Nordnigeria langsam wieder zur Ruhe kommt. Wichtig dafür seien schließlich nicht nur militärische Erfolge, sondern vor allem ein friedliches Miteinander.

Dass Priester und Imame Gehör finden, gilt als sicher. Verschiedenen Umfragen zufolge bezeichnen sich stets mehr als 90 Prozent aller Nigerianer als «religiös» oder «sehr religiös». Allerdings: Traditionelle Machthaber werden von Jugendlichen häufig auch mit der alten Elite in Verbindung gebracht, die bei jungen Menschen eher für Stillstand und Perspektivlosigkeit steht. (KNA)

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