NATO stoppt Truppenabzug aus Afghanistan

Die Nato hat wegen der schlechten Sicherheitslage eine Verlängerung ihres Militäreinsatzes in Afghanistan beschlossen. "Wir sind in Afghanistan, damit Afghanistan nicht wieder zum Zufluchtsort für internationale Terroristen wird", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach der Entscheidung der Außenminister der Allianz am Dienstag in Brüssel.

"Es ist auch im Interesse unserer eigenen Sicherheit, dass wir sicherstellen, dass dies nicht geschieht." Es werde kleinere Anpassungen in der Mission geben, aber keine Rückkehr zum Kampfeinsatz, betonte Stoltenberg. Einen Zeitpunkt für das Ende des Militäreinsatzes nannte er nicht.

Die Nato bleibt nach der Entscheidung auch 2016 wie bisher mit etwa 12.000 Soldaten in der Hauptstadt Kabul und in den Regionen präsent. Sie gibt damit den ursprünglichen Plan auf, die ausländischen Truppen zum Jahreswechsel in Kabul zusammenzuziehen und ihre Zahl stark zu verringern. Auslöser war die drastische Verschlechterung der Sicherheitslage seit dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes vor knapp einem Jahr, die in der zeitweiligen Einnahme der Stadt Kundus durch die radikal-islamischen Taliban gipfelte. Auch die Extremistenmiliz IS erstarkte zuletzt in Afghanistan.

"Die Sicherheitslage ist nach wie vor schwierig", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Die Fähigkeiten der afghanischen Sicherheitskräfte hätten sich in den vergangenen Jahren zwar gesteigert. In jüngster Zeit sei aber deutlich geworden, dass Polizei und Armee weiter Unterstützung brauchten.

Auch Afghanistan müsse allerdings seinen Teil zur Verbesserung der Lage beitragen. "Wir erwarten umgekehrt Fortschritte bei den nach wie vor dringend erforderlichen Reformen in Afghanistan", betonte Steinmeier. Konkret nannte er den Kampf gegen die Korruption und die Aussöhnung mit den Taliban. Deutschland stellt 2016 erneut rund 350 Millionen Euro für den Wiederaufbau am Hindukusch bereit.

Für die Bundeswehr bedeutet die Entscheidung der Außenminister, dass sie vorerst weiter in Nord-Afghanistan stationiert bleibt und dort die führende Rolle behält. Die Bundesregierung hatte zuletzt die Obergrenze auf 980 Soldaten angehoben. Die USA stellen weiter über 9.000 Soldaten. Die USA sind auch das einzige Land, das die Afghanen in Extremfällen noch mit Luftangriffen unterstützt. Im Mandat für den Nato-Einsatz, der seit knapp einem Jahr nur noch der Ausbildung und Beratung der Afghanen dient, ist dies nicht vorgesehen.

Die Nato startete in Brüssel zudem einen Anlauf, um das von 2018 bis 2020 fehlende Geld zur Finanzierung der afghanischen Polizei und Armee einzuwerben. Die jährlichen Kosten für die 352.000 Soldaten und Polizisten liegen derzeit bei rund fünf Milliarden Dollar. Die USA stemmen davon jeweils etwa vier Milliarden Dollar und sind bereit, dies weiter zu tun. Die Afghanen beteiligen sich mit 500 Millionen Dollar pro Jahr. Die verbleibende gut eine Milliarde Euro (1,3 Milliarde Dollar) pro Jahr sollen die übrigen Bündnispartner bis zum Nato-Gipfel im Juli in Warschau aufbringen.

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt und kann seine Sicherheitskräfte, die einziger Garant für eine einigermaßen stabile Lage sind, nicht allein finanzieren. Der Zusammenbruch von Polizei und Armee nach dem Abzug 1989 und dem anschließenden Kollaps der Sowjetunion gilt als letzter Auslöser für den Absturz des Landes in Chaos und Gewalt, der in der Herrschaft der Taliban endete. (Reuters)