94 türkischen Gezi-Aktivisten drohen bis zu sechs Jahren Haft

Mehr als zwei Jahre nach den Gezi-Protesten hat in der westtürkischen Stadt Izmir der Prozess gegen 94 Aktivisten begonnen. Ihnen drohen unter anderem wegen Teilnahme an einer Demonstration im Juni 2013 bis zu sechs Jahren Haft, wie die Nachrichtenagentur DHA am Montag berichtete. Die meisten der Angeklagten seien Studenten.

Konkret werde ihnen vorgeworfen gegen das Demonstrations- und Versammlungsrecht verstoßen zu haben. Außerdem sollen sie Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet haben. Die Aktivisten sagten laut DHA am ersten Verhandlungstag, sie hätten lediglich Gebrauch von ihren demokratischen Rechten gemacht.

Die Gezi-Proteste im Sommer 2013 hatten sich zunächst gegen ein umstrittenes Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park gerichtet. Sie weiteten sich zu landesweiten Protesten gegen die damals regierende islamisch-konservative AKP aus.

Unterdessen hat die Gezi-Protestbewegung die Regierung davor gewarnt, ein umstrittenes Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park neu zu beleben. Ankara solle nicht einmal daran denken, erklärte die Gruppe Taksim-Solidarität, ein Dachverband der Protestbewegung. Anlass für die Warnung war ein Urteil des türkischen Verwaltungsgerichtshofes, das am Vortag bekannt wurde. In der Entscheidung hoben die Richter vorherige Gerichtsurteile auf, mit denen das Bauprojekt im Gezi-Park gestoppt worden war.

Pläne der Regierung des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan zur Wiedererrichtung eines osmanischen Kasernengebäudes auf dem Gelände des Gezi-Parks hatten im Jahr 2013 wochenlange Unruhen im ganzen Land ausgelöst, bei denen acht Menschen starben. Der Park ist seitdem ein Symbol der türkischen Bürgerrechtsbewegung. Erdogan beschimpfte die Demonstranten als "Plünderer".

Laut einem Bericht der Oppositionszeitung "Cumhuriyet" fiel das neue Urteil des Verwaltungsgerichtshofes nach der Ernennung neuer Richter, die Erdogans Regierungspartei AKP nahestehen sollen. Die Gruppe Taksim-Solidarität betonte, ihr Kampf in Istanbul und anderswo werde weitergehen. "Wir wissen, was Ihr vorhabt", erklärte die Gruppe an die Regierung gerichtet. "Denkt nicht 'mal daran." (dpa/AFP)

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