SPD will Radikalisierung junger Muslime vorbeugen

Mit bundesweit abgestimmter Präventionsarbeit will die SPD-Bundestagsfraktion der Radikalisierung junger Muslime in Deutschland entgegenwirken. Aufklärung an Schulen, Unterstützung muslimischer Häftlinge in Gefängnissen und der Ausbau von Aussteigerprogrammen stehen im Zentrum eines Positionspapiers, das die SPD-Innenexperten Burkhard Lischka und Uli Grötsch am Freitag in Berlin vorstellten. Für das Programm seien weitere Finanzmittel nötig, worüber sie mit dem Koalitionspartner CDU/CSU reden wollen.

Besondere Sorge bereitet den SPD-Politikern die Lage in deutschen Jugendhaftanstalten, wo Salafisten gezielt junge Muslime radikalisierten. Deutsche Gefängnisse dürften keine "Brutstätte für neuen Extremismus" werden, sagte Lischka. Er verwies auf die "Charlie Hebdo"-Attentäter von Paris, die sich im Gefängnis radikalisiert hätten.

Bislang gebe es nur in einzelnen Jugendhaftanstalten muslimische Seelsorger, schreiben die SPD-Politiker in dem Papier. Imame müssten nun aber flächendeckend eingesetzt werden und dem Extremismus durch religiöse Aufklärung entgegenwirken. "Das kann kein christlicher Sozialarbeiter tun", sagte Lischka. Sichergestellt werden müsse dabei, "dass kein Hassprediger unter dem Deckmantel der Seelsorge in Gefängnissen tätig werden kann", heißt es in dem Positionspapier.

In Schulen müsse zugleich eine stärkere Betonung auf die Vermittlung des Islam als friedliche Religion gelegt werden. Jungen Muslimen, die sich bereits radikalisiert haben, müsse mehr Unterstützung beim Aussteigen gegeben werden.

Die beiden SPD-Politiker hoben hervor, dass es auf kommunaler oder auf Länderebene bereits vielversprechende Präventionsprojekte gegen Radikalisierung gebe. Deren Arbeit müsse bundesweit stärker vernetzt werden, um die praktischen Erfahrungen allgemein nutzbar zu machen. Diese Aufgabe könnte eine neu einzurichtende Beratungsstelle auf Bundesebene übernehmen.

Eine solche Stelle könnte etwa beim Bundesfamilienministerium oder bei der Bundeszentrale für politische Bildung eingerichtet werden, schlugen die SPD-Politiker vor. Klar sei, dass der Aufbau von langfristigen Präventionsstrukturen "zusätzliche finanzielle Mittel" erfordern werde, sagte Lischka. Es handle sich "um eine drängende Sache, der wir uns mit langem Atem widmen müssen". Mit dem Koalitionspartner Union wolle er bald über die Vorschläge sprechen, wobei er "keinen großen Dissens" erwarte.

Lischka und Grötsch hoben lobend bereits bestehende Initiativen wie das "Violence Prevention Project" hervor, das sich in Gefängnissen, Moscheen und an Schulen gegen Radikalisierung wendet.

Projektmitarbeiter Chalid Durmosch, der in Berlin muslimische Gefängnisseelsorge betreibt und auf Einladung der SPD bei der Vorstellung des Papiers anwesend war, mahnte rasches Handeln an. Junge Muslime würden in Gefängnissen zu wenig betreut, sie seien "ein gefundenes Fressen für extremistische Rattenfänger", sagte der arabischstämmige Berliner. Zugang zu solchen Häftlingen könnten nur Mit-Muslime finden, die ihren Glaubensbrüdern dann Alternativen zur religiösen Radikalisierung aufzeigen könnten: "Der Nicht-Muslim kann da nicht punkten, er wird kaum ernst genommen." (KNA)

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