Bericht: Netanjahus Warnung vor iranischer Atombombe übertrieben

Mit der Warnung vor einer iranischen Atombombe hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Berichten zufolge Informationen seines eigenen Geheimdienstes stark zugespitzt. Der Mossad sei damals zu dem Schluss gekommen, dass der Iran «derzeit nicht die Aktivitäten ausführe, die zum Waffenbau notwendig sind», berichtete der britische «Guardian» am Dienstag. Dies gehe aus geheimen Dokumenten hervor, die an den TV-Sender Al-Dschasira weitergegeben worden seien und der Zeitung vorlägen.

Hochrangige israelische Regierungskreise widersprachen am Dienstag dem Bericht. Die durchgestochenen Dokumente belegten, dass der Iran den Reaktorbau und die Uran-Anreicherung vorangetrieben habe und somit schneller in der Lage sein werde, eine Atombombe zu bauen.

Netanjahu hatte im September 2012 vor der UN-Vollversammlung in New York gesagt, der Iran werde spätestens im Folgejahr mit der letzten zum Waffenbau notwendigen Stufe der Uran-Anreicherung beginnen. Dazu hatte Netanjahu eine cartoonartige Zeichnung einer Bombe hochgehalten. Der Streit um den militärischen oder zivilen Charakter des iranischen Atomprogramms schwelt seit zwölf Jahren. Bis Ende März soll bei Verhandlungen in Genf eine politische Einigung gefunden werden; bis Juli soll eine umfassende Lösung erreicht sein.

Bei den jüngsten Gesprächen über das iranische Atomprogramm in Genf hat es nach Angaben Teherans und Washingtons Fortschritte gegeben. Jedoch sei es "noch ein langer Weg" bis zu einer endgültigen Einigung, zitierten iranische Medien Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am Montag. Auch ein US-Regierungsvertreter sprach von Fortschritten, es seien aber noch "sehr schwierige Fragen" offen. Kommenden Montag sollen die Verhandlungen nach US-Angaben weitergehen.

Es habe Fortschritte "bei einigen Themen" gegeben, sagte Sarif nach mehreren Treffen mit seinem US-Kollegen John Kerry. Er nannte die Gespräche "ernsthaft, nützlich und konstruktiv". Fast wortgleich äußerte sich der US-Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte.

Zuvor hatte der iranische Vizeaußenminister Abbas Araktschi erklärt, es habe in "Schlüsselfragen" noch keine Einigung gegeben. Obwohl alle Seiten ernsthaft und entschlossen verhandelten, gebe es für viele wichtige Punkte "noch keine vollständigen Lösungen", wurde Araktschi vom Staatsfernsehen zitiert. Es gebe immer noch einen "Graben", es gebe "Differenzen". In vielen Bereichen werde inzwischen aber über "Details" diskutiert. In "einigen Fällen" seien auch Lösungen gefunden worden, "und die Zeit ist reif für politische Entscheidungen".

Kerry und Sarif hatten am Sonntagabend drei Stunden lang über das iranische Atomprogramm beraten, am Montag trafen sie sich erneut. Zuvor hatte Kerry von "bedeutenden Diskrepanzen" gesprochen. An den bilateralen Verhandlungen nahmen am Sonntag auch erstmals der US-Energieminister Ernest Moniz sowie der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, teil. Bereits seit Freitag verhandeln in Genf zudem die US-Chefunterhändlerin Wendy Sherman und Araktschi. Am Sonntag gab es zudem Verhandlungen Teherans mit der gesamten 5+1-Gruppe aus den fünf UN-Vetomächten und Deutschland auf Diplomatenebene.

Die Verhandlungen sollen auf Ebene der politischen Direktoren und Vize-Außenminister kommenden Montag fortgesetzt werden, wie ein US-Regierungsvertreter sagte.

Die Zeit drängt, da die Verhandlungsparteien bis zum 31. März eine Grundsatzeinigung erreichen wollen. Bis zum 1. Juli soll dann ein vollständiges Abkommen mit sämtlichen technischen Einzelheiten stehen. Die Frist zum Abschluss eines dauerhaften Atomabkommens musste bereits zwei Mal verlängert werden - zuletzt Ende November. Beide Seiten betonen seitdem jedoch, die nun gesetzte Frist einhalten zu wollen.

Die Verhandlungen sollen zur dauerhaften Beilegung des jahrelangen Konflikts führen. Das angestrebte Abkommen soll dem Iran die friedlichen Nutzung der Atomtechnologie erlauben, zugleich aber sicherstellen, dass er nicht kurzfristig Atomwaffen entwickelt. Im Gegenzug für Zugeständnisse Teherans sollen die in dem Streit verhängten Sanktionen aufgehoben werden, die im Iran eine schwere Wirtschaftskrise ausgelöst haben. (dpa/AFP)