Gewerkschafter und Aleviten in der Türkei gegen «Islamisierung» des Schulwesens

In zahlreichen türkischen Städten hat es am letzten Freitag einen von Gewerkschaftern und Mitgliedern der religiösen Minderheit der Aleviten organisierten Schulboykott gegeben. Medienberichten zufolge verweigerten Schüler in Istanbul, Ankara, Izmir, Edirne, Antalya und anderen Städten den Unterricht. Sie protestierten unter anderem gegen eine von ihnen angeprangerte «schleichende Islamisierung» des Schulwesens. In Izmir und Ankara ging die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten vor. Der türkische Fernsehsender NTV berichtete von mehr als 50 Festnahmen in Izmir.

Die Proteste der säkularen Türken und der Aleviten richteten sich auch gegen den verpflichtenden Religionsunterricht an den Schulen, bei dem der sunnitische Islam im Vordergrund steht. Religion müsse nicht an der Schule unterrichtet werden, dies könne auch zu Hause erfolgen, argumentierten einige von ihnen.

Aleviten, von denen sich einige als den Schiiten zugehörig fühlen, sind mit Abstand die größte religiöse Minderheit in der mehrheitlich sunnitischen Türkei. Sie machen Schätzungen zufolge zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung aus. Ankara erkennt sie aber nicht als offizielle Gruppe an - anders als Juden und Christen, die vom Religionsunterricht befreit werden können.

Bereits am Sonntag hatten tausende Mitglieder der alevitischen Religionsgemeinschaft in Istanbul für die Bewahrung des Laizismus in der Türkei demonstriert. Die Veranstalter der Kundgebung warfen der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) von Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, die Türkei in einen «reaktionären» Staat zu verwandeln, der auf den Glauben und die Identität seiner Minderheiten keine Rücksicht nehme.

Die Aleviten sind eine islamische Religionsgemeinschaft, die sich im Mittelalter im Gebiet der heutigen Türkei entwickelte. Neben islamischen Einflüssen spielen auch andere religiöse Traditionen eine Rolle. Anders als sunnitische und schiitische Muslime beten Aleviten nicht in Moscheen, sondern in Versammlungshallen. Das islamische Rechtssystem, die Scharia, hat für sie keine Bedeutung. (AFP)