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Dass sich derzeit Politiker in der EU und in den USA über die Wiederaufnahme des iranischen Atomprogramms aufregen und Sanktionen fordern, erscheint fragwürdig und ungerechtfertigt, meint Peter Philipp.

Iranische Flagge mit Atomzeichen, Fotomontage; © AP Graphics/DW
Obwohl Teheran Signatar des Atomwaffen-Nichtverbreitungsabkommens ist und auch das Zusatzprotokoll akzeptiert hat, soll es auf jede Anreicherung von Uran verzichten.

​​Europäische Politiker, die sich heute über die Wiederaufnahme der iranischen Atomforschung aufregen, sollten ihren Kassandra-Rufen über die nächste Entwicklung vielleicht doch etwas Fundiertes hinzufügen, das über das bisher allgemein Bekannte hinausgeht.

Nur wenn die interessierte Öffentlichkeit besser informiert ist, kann sie vielleicht den Argumenten derer folgen, die jetzt mit dem UN-Sicherheitsrat und mit Sanktionen drohen, obwohl sie vor einigen Monaten noch gedacht hatten, den Iran auf diplomatischem Wege einbinden zu können in ein System, das auf seine Art einmalig ist.

Einmalig, weil die E3 - Großbritannien, Frankreich und Deutschland - glaubten, von Iran verlangen zu können, was man von keinem anderen forderte: Obwohl Teheran Signatar des Atomwaffen-Nichtverbreitungsabkommens ist und auch das Zusatzprotokoll akzeptiert hat, soll es auf jede Anreicherung von Uran und nun sogar auf Atomforschung verzichten.

Was nun aber jedem anderen Staat in vergleichbarer Situation erlaubt wäre. Und was Staaten, die das Nichtverbreitungsabkommen nicht unterzeichnet haben, schon gar nicht kümmert - wie zum Beispiel Indien, Pakistan oder Israel.

Misstrauen um des Misstrauens willen?

Der einzig denkbare Grund für solch ein Verhalten gegenüber Iran dürfte das tiefe Misstrauen sein, das die Europäer letztlich gegenüber den Führern der "Islamischen Republik" hegen. Ein Misstrauen, das vor dem Hintergrund der unsäglichen Äußerungen Mahmud Ahmadinejads zwar berechtigt scheint, das aber viel älter ist als die Amtszeit des iranischen Präsidenten.

Der Beginn der Atomkrise fällt immerhin in die Amtszeit des im Westen so beliebten Präsidenten Khatami und die iranische Atom-Politik ist noch älter.

In all den Jahren aber hat Europa um die Gunst des Irans als Wirtschaftspartner gebuhlt und hat es zu Gunsten der eigenen Wirtschaftsinteressen über Menschenrechtsverletzungen, den Mangel an bürgerlichen Freiheiten und die Unterdrückung und Verfolgung politischer Gegner im Iran hinweggeschaut.

Mit einem Mal nun aber soll der Iran sich zur scheinbar größten Gefahr in der Region entwickeln. Weil man ihm nicht glauben will, dass er trotz seiner immensen Öl- und Gasvorkommen Atomkraft für Stromerzeugung nutzen will? Oder vielleicht doch, weil man "den Mullahs nicht über den Weg traut"?

Sanktionen sind sinnlos

Eigentlich wollten die Europäer mit dem Iran verhandeln, um Washington zu zeigen, dass man auch mit Diplomatie etwas erreichen kann. Heute scheint davon nichts geblieben zu sein. Das Weiße Haus kann stolz sein auf die Unterstützung durch die Europäer. Unter ihnen Chirac - der einst dem Irak zum Atomreaktor verhalf.

Die transatlantische Anti-Iran-Koalition ist bei all dem nicht mehr als ein Papiertiger: Alle wissen, dass Sanktionen im Sicherheitsrat auf den Widerstand - und wohl auch das Veto - Chinas stoßen werden.

Sanktionen haben ohnehin noch nirgendwo etwas bewirkt, Offenheit und Aufrichtigkeit hingegen schon eher. Eine Aufforderung nicht nur an die Adresse Teherans, sondern auch - und mehr noch - an die der Europäer.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2006

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