Multikultureller Pulsschlag

Die persische Boygroup "Tapesh 2012" vereint in ihren Songs alles, was man sich vorstellen kann – von Hip-Hop über Reggae und Ska bis hin zu elektronischen Klängen mit orientalischem Einfluss. Pouyeh Ansari stellt die unkonventionelle Band vor.

Die iranische Band Tapesh 2012; Foto: Hope/Tapesh 2012
Politisch, couragiert, schnörkellos - die persische Band Tapesh 2012 aus Bochum

​​Noch klingt es für die Bandmitglieder von Tapesh 2012 nach Zukunftsmusik, aber sie haben sich sechs Jahre Zeit gegeben, dass ihr Traum eines Tages Wirklichkeit wird: Im Jahr 2012 will die achtköpfige Band – wenn schon nicht im größten iranischen Sportstadion "Azadi", denn schon endlich im Iran ein Konzert vor einem großen Publikum geben.

Dieses Ziel hatte sich Tapesh 2012 am Tag ihrer Gründung gesetzt. Utopisch, angesichts der gegenwärtigen kulturellen und gesellschaftspolitischen Realitäten in der Islamischen Republik Iran.

Denn noch immer sind Popkonzerte, die den Vorstellungen des "Ministeriums für Kultur und islamische Führung" (Ershad) nicht entsprechen, strikt verboten. Als Popmusik gilt alles, was in irgendeiner Weise westlich beeinflusst ist, also nicht zur klassischen persischen Musik zählt.

Schonungslose Kritik am Regime

Hinzu kommt, dass die Band Tapesh 2012 kein Blatt vor den Mund nimmt. Tapesh setzt auf politisches Understatement, kritisiert offen die Machthaber in der Islamischen Republik und die Unterdrückung der iranischen Bevölkerung.

In ihrem Song "Throwing stones" thematisieren die Musiker die öffentliche Steinigung von Menschen: "…Sie stellen dich in das Loch rein und es reicht dir bis zur Brust. Du stehst da einfach stocksteif, in deinen Adern friert das Blut...", heißt es in einem ihrer Songs.

Die Musik von Tapesh – übersetzt heißt das übrigens Pulsschlag – vereint alles, was man sich vorstellen kann – von Hip-Hop über Reggae und Ska bis hin zu elektronischen Klängen mit orientalischem Einfluss.

Weltmusik aus "Ruhrcity"

Omid Pouryousefi; Foto: Behnaz Dashtkyan/DW
Omid Pouryousefi (links), Bandleader von Tapesh 2012 auf der Ring-Bühne während eines Konzerts auf dem Musik-Festival "Total" in Bochum

​​Angefangen hat alles ganz anders: Als Schüler gründeten Omid und Amin Pouryousefi bereits 1991 gemeinsam mit anderen iranischen Jungs in der Ruhrpott-Metropole Bochum eine persische Boygroup. Sechs Jahre lang spielten sie europaweit über 600 Konzerte für Exil-Iraner.

Aber Omid und sein Bruder Amin hatten ihr eigentliches Ziel noch nicht erreicht. Ihre Vision war es, einerseits mit Musik Geld zu machen, andererseits ein politisches Zeichen zu setzen. Die Lösung kam dann ganz plötzlich:

"Mein Bruder Amin war 1997 an dem Sommerhit 'Samba de Janeiro' beteiligt und verdiente an einem Abend eine Menge Geld", erinnert sich Omid. "So entstand die Idee, als DJ und Musikproduzent zu arbeiten."

Ein offenes, demokratisches Projekt

Die Ära der persischen Boygroup war zunächst beendet. Aber 2006 setzte Omid seine Vision dann doch noch in die Tat um. Nach dem finanziellen Erfolg sollte nun der politische Aspekt gefördert werden: Tapesh 2012 wird ins Leben gerufen.

​​Tapesh ist von Beginn an ein offenes, demokratisches Projekt. Jeder kann einsteigen und seinen Teil dazu beitragen.

Momentan sind in der Multikulti-Band fünf verschiedene Nationen vertreten: Deutschland, Polen, Iran, England und Weißrussland.

Musik als "Edu-tainment"

Gerappt wird derzeit in drei Sprachen: auf Deutsch, Englisch und Persisch. Selbst nennen sie ihre Arbeit "Edu-tainment". Aufklärung und Unterhaltung gehen Hand in Hand. In "Iran Story Part I & II" wird über die politische Geschichte Irans der letzten 60 Jahre auf Deutsch gerappt.

Kritisiert werden die amerikanische Außenpolitik ebenso, wie die iranische Theokratie. Bei aller Ernsthaftigkeit und politischer Aufklärung wird jedoch nicht die "Moralkeule" geschwungen. Ihre kreativen Songs sollen Hoffnung und Energie transportieren und vor allem zum Mitmachen und Nachahmen anregen.

Omid, sein Name bedeutet soviel wie Hoffnung, verliert sein Ziel nicht aus den Augen, auch wenn viele Pessimisten das Projekt für utopisch halten. "Es geht darum etwas zu machen, Dinge anzupacken und nicht nur über die Lage zu klagen", erklärt der 35jährige Musiker seine Motivation.

Ein Konzept, das der vierköpfigen Band schon einige Erfolge beschert hat: 2006 gewann die Combo etwa den "creole"-Preis für Weltmusik aus Nordrhein-Westfalen. Und sollte ihnen der Erfolg Recht geben, könnte ihr Traum, irgendwann im Jahr 2012 nicht nur in Deutschland, sondern im Iran auf der Bühne zu stehen, vielleicht doch Wirklichkeit werden.

Pouyeh Ansari

© Qantara.de 2008

Qantara.de

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Webseite der Band "Tapesh 2012"