Zu den Ursprüngen menschlicher Zivilisation

Von den ältesten Menschendarstellungen über das sagenhafte Petra bis zu den Anfängen des Islam - die große Jordanien-Ausstellung war bereits in Berlin ein Erfolg. Jetzt faszinieren die "Gesichter des Orients" auch in Bonn das Publikum. Von Martina Sabra

Von den ältesten bekannten Menschendarstellungen über das sagenhafte Petra bis zu den Anfängen des Islam - mit rund 55.000 Besuchern in nur 10 Wochen war die große Jordanien-Ausstellung bereits in Berlin ein voller Erfolg. Jetzt faszinieren die "Gesichter des Orients" auch in Bonn das Publikum. Martina Sabra hat sich die Ausstellung angesehen.

Logo der Jordanienausstellung: zwei Statuen aus Ain Ghazal
Zwei Statuen aus Ain Ghazal aus dem 8. Jahrtausend v.Chr.

​​Die "Wiege" der heutigen globalen Zivilisation liegt bekanntlich im Vorderen Orient. Doch wer den vor rund zehntausend Jahren vollzogenen Übergang von der nomadischen zur sesshaften Lebensweise in der Region anschaulich und dazu noch künstlerisch anspruchsvoll aufbereitet erleben möchte, reist in diesen Wochen besser nicht in den Nahen Osten, sondern nach Bonn am Rhein.

Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland zeigt unter dem Titel "Gesichter des Orients: 10.000 Jahre Kunst und Kultur aus Jordanien" gut 600 höchst sehenswerte Objekte, die teilweise überraschende Einblicke in die kulturgeschichtliche Entwicklung der Region und darüber hinaus der Menschheit an sich bieten.

So wird deutlich, dass der so genannte "Fruchtbare Halbmond" nicht nur das Zweistromland Irak und Teile des heutigen Syriens umfasste, sondern bis in das Gebiet des heutigen Jordaniens reichte.

Mehr noch: auf jordanischem Boden sind die bislang ältesten bekannten Menschendarstellungen gefunden worden. Die fast lebensgroßen, bemerkenswert ausdrucksvollen Kalkbrandfiguren aus Ain Ghazal, die im 7. Jahrtausend vor Christus wahrscheinlich einem Ahnenkult dienten, standen auch für den Titel der Ausstellung Pate.

Jordanien Schnittpunkt der Hochkulturen

Auf dem relativ kleinen, mit Naturschätzen nicht gerade gesegneten Territorium des heutigen Jordanien ist im Gegensatz zu den großen Nachbarn Ägypten, Syrien und Irak nie eine eigenständige Hochkultur entstanden. Doch geographisch war der Landstrich am Jordan seit Jahrtausenden Schnittpunkt der ältesten Hochkulturen der Welt.

Die klimatischen und geographischen Bedingungen der Region begünstigten den Übergang zur sesshaften Lebensweise. Die Ausstellung mit vielen spektakulären Funden und der hervorragend gemachte Begleitkatalog dokumentieren lebendig und auch für archäologische Laien gut verständlich die imposante, über 9000 Jahre ungebrochene Siedlungsgeschichte auf jordanischem Boden:

von den primitiven Höhlen der Jungsteinzeit über verstreute bäuerliche Siedlungen und erste Städte, hin zu den frühen Stadtstaaten, aus denen sich im ersten Jahrtausend vor Christus die aus der Bibel bekannten Königreiche Ammon, Moab und Edom entwickelten; von den hoch entwickelten hellenistischen Städten der Dekapolis über das sagenhafte Königreich der Nabatäer in Petra bis zu den prunkvollen Wüstenschlössern der Omayyaden aus der Zeit des Frühislam.

Ursprung der drei großen Weltreligionen

Die Ausstellung weist das Gebiet am Jordan einmal mehr als Ursprung der drei großen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam aus. Am Berg Nebo soll der Prophet Moses Station gemacht haben, in Bethanien am Jordan soll Jesus getauft worden sein, und der Islam fand vom heutigen Jordanien aus Verbreitung.

Deutlich wird auch, dass der Jordan historisch die Völker der Region eher miteinander verband als trennte. Die Ausstellungsmacher hoffen, dass die Schau nicht nur der Bildung und Völkerverständigung dient, sondern auch dazu beiträgt, den Tourismus nach Jordanien anzukurbeln, der von der Gewalt in den Nachbarländern immer wieder arg in Mitleidenschaft gezogen wird.

Fawaz Al-Khreyshah, Direktor der Jordanischen Antikenverwaltung, lädt Interessierte ein, sich vor Ort selbst zu überzeugen und versichert: "Trotz der Geschehnisse im Irak und in Palästina - Jordanien ist nach wie vor eines der sichersten Länder für Touristen weltweit."

Kaum Jordanier im Rahmenprogramm

Abgerundet wird die Ausstellung durch einen ebenso unterhaltsamen wie informativen Dokumentarfilm sowie ein reichhaltiges Rahmenprogramm, das neben Fachvorträgen über Geschichte und Archäologie auch Veranstaltungen mit zeitgenössischen arabischen Schriftstellern und Musikern vorsieht.

Unverständlich ist allerdings, warum das Rahmenprogramm fast nur nichtjordanische Gäste enthält, während zeitgenössische Kulturschaffende aus Jordanien, z.B. die Autoren Fadia Faqir, Amjad Nasser, Ibrahim Nasrallah oder Faruk Wadi nicht einmal erwähnt werden, geschweige denn die zahlreichen bildenden Künstler oder das mit deutscher Unterstützung aufgebaute Jugendorchester von Amman.

Die vielfältige aktuelle Kulturszene in Amman und die seit vielen Jahren fruchtbare deutsch-jordanische Zusammenarbeit hätte man im Bonner Rahmenprogramm stärker berücksichtigen können.

Martina Sabra

© Qantara.de 2005

Die Ausstellung "Gesichter des Orients: 10 000 Jahre Kunst und Kultur aus Jordanien" ist noch bis zum 21. August 2005 in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zu sehen. Ausstellungskatalog: 25 €. Video: "Gesichter des Orients. Nomaden und Eroberer im frühen Jordanien".

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