Auf der Anklagebank

Die zunehmende Einflussnahme privater Geschäftsleute und Medienunternehmer in Indonesien sowie deren häufige Klagen gegen investigative Journalisten stellen die Pressefreiheit vor neue Herausforderungen. Aus Jakarta informiert Arian Fariborz.

Heru Hendratmoko, Vorsitzender der unabhängigen Journalistenorganisation AJI; Foto: Arian Fariborz
Kontrolle der Regierung über die indonesische Presse: Das befürchtet Heru Hendratmoko von der unabhängigen Journalistenorganisation AJI.

​​Seit dem Sturz des autoritären Suharto-Regimes 1998 hat sich in Indonesien eine vielfältige und lebendige Medienlandschaft entwickelt – eine der freiesten in ganz Asien.

Zensurmaßnahmen und Zeitungsschließungen gehörten der Vergangenheit an, die Einführung des Presserechtsgesetzes von 1999, das die Medienfreiheit als Bürgerrecht verankerte, bedeutete einen Meilenstein für die junge Demokratie der Inselrepublik.

Doch aktuelle Zahlen belegen, dass es gegenwärtig um die Sicherheit von Journalisten und die Pressefreiheit nicht mehr zum Besten steht. So stiegen die Übergriffe auf Journalisten 2007 im Vergleich zum Vorjahr von 53 auf 75 Fälle an – so das Ergebnis, das der Vorsitzender der unabhängigen Journalistenorganisation ("Aliansi Jurnalis Independen"), kurz: AJI, Heru Hendratmoko, jüngst in der indonesischen Hauptstadt Jakarta präsentierte.

Hierzu zählt die Vereinigung, die die Situation der Medien in Indonesien regelmäßig beobachtet, physische Angriffe, Drohungen und juristische Klagen gegen Medienschaffende.

Fehlende rechtliche Sicherheit

Vor allem macht die wachsende rechtliche Unsicherheit vielen Journalisten im bevölkerungsreichsten muslimischen Land derzeit zu schaffen.

Zwar wurde nach dem Ende der Suharto-Diktatur das Informationsministerium 1999 geschlossen, das die Medien bislang einer strikten Kontrolle unterwarf. Auch wurde im gleichen Jahr das nationale Pressegesetz zum Schutz der Pressefreiheit eingeführt. Allerdings kommt dieses heute immer weniger zur Anwendung kritisiert Heru Hendratmoko:

Bambang Harymurti, Chefredakteur der Zeitschrift TEMPO; Foto: Arian Fariborz
Enthüllungsberichte über Korruption und Vetternwirtschaft brachten TEMPO-Chefredakteur Bambang Harymurti bereits 2003 vor Gericht.

​​"Zwar haben wir seit 1999 ein sehr gutes Pressegesetz, das die Pressefreiheit in unserem Land schützt. Allerdings greifen Staatsanwälte und Richter leider immer mehr auf das Strafgesetz zurück", sagt Hendratmoko. "Deshalb werden nach wie vor viele Journalisten damit konfrontiert, wenn sie über bestimmte Themen, wie z.B. Korruption, schreiben."

Doch mit ihrer Initiative, dem Pressegesetz in Rechtsfällen gegen Journalisten mehr Geltung zu verschaffen, stößt AJI bei der Justiz des Landes auf taube Ohren: Die Regierung tendiere sogar dazu, das Pressegesetz gänzlich zu revidieren, um die Kontrolle über die Presse zurückzubekommen, befürchtet Hendratmoko.

Denn unter dem gegenwärtigen Pressegesetz habe die Regierung kaum Möglichkeiten, den Spielraum der Medien einzuschränken oder zu beeinflussen.

Die Macht der Medienmogule

Dass das Strafgesetz heute wieder verstärkt bei Journalisten zur Anwendung kommt, belegt ein aktueller Fall aus der zentraljavanischen Stadt Yogyakarta:

Dort wurde Mitte Dezember 2007 der Chefredakteur der Zeitung "Radar Yogya" zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt, weil er angeblich einen einflussreichen Geschäftsmann diffamiert haben soll.

"Dabei handelt sich um einen Großunternehmer, dem auch ein Zeitungsverlag gehört und der den Ruf hat, nach dem Sultan von Yogyakarta eine Art 'zweiter König der Stadt' zu sein", berichtet Eko Maryadi, Indonesien-Korrespondent der Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen". "Und weil ihm die Berichterstattung unseres Kollegen in seinem Fall nicht gefiel, hatte er kurzerhand gegen den Chefredakteur geklagt – mit Erfolg."

Nicht nur die Aussetzung des Pressegesetzes beeinträchtigt heute die Arbeit von Journalisten, sondern auch, dass zunehmend private Geschäftsleute als Medienunternehmer aktiv sind und große Teile des Marktes kontrollieren – und damit auch die Inhalte.

Kritische oder investigative Berichterstattung, etwa gegen Korruption und Vetternwirtschaft, ist da häufig unerwünscht.

Enthüllungsjournalismus unerwünscht – der Fall TEMPO

Das hat Bambang Harymurti, Chefredakteur der Zeitschrift TEMPO, des einflussreichsten und investigativsten Nachrichtenmagazins des Landes, selbst erfahren. Im Dezember 2003 wurde er und zwei seiner Kollegen angeklagt, weil TEMPO kritisch über die dubiosen Geschäftspraktiken des Unternehmers und Medienzars Tommy Winata im Zusammenhang mit dem Brand eines Textilmarktes in Jakarta berichtet hatte.

Zeitungsverlag TEMPO; Foto: Arian Fariborz
Das renommierte Blatt TEMPO gehört zu den wenigen Medien, die sich noch einen kritischen Journalismus leisten können.

​​Auch in diesem Fall wurden die Angeklagten wegen des Tatbestandes der Diffamierung gemäß Strafrechtsparagraph 310 und 311 zu Gefängnisstrafen verurteilt. Es kam jedoch nie zur Vollstreckung der Urteile.

Trotz dieser Einschüchterungen veröffentlicht TEMPO weiterhin kritische Berichte gegen Korruption und Vetternwirtschaft. "Im Augenblick haben wir es wieder mit einer Klage eines der reichsten Geschäftsleute Indonesiens zu tun", erzählt Bambang Harymurti. "In diesem Fall geht es um massiven Steuerbetrug, über den wir berichtet haben."

Die anhaltende juristische Auseinandersetzung mit Klägern aus der Privatwirtschaft ist inzwischen fast schon zum Aushängeschild des renommierten Nachrichtenmagazins geworden. Doch bereitet Harymurti die gegenwärtige Entwicklung der indonesischen Medienlandschaft große Sorgen:

"Ich befürchte, dass immer weniger Medien wirklich investigativen Journalismus leisten können – erstens wegen des hohen beruflichen Risikos und zweitens, weil sich immer mehr elektronische Medien in den Händen von wenigen Geschäftsleuten befinden, denen es ausschließlich darum geht, diese Medien für ihre Interessen zu nutzen."

Arian Fariborz

© Qantara.de 2008

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