Vom Islamisten zum christlichen Missionar

In seinem autobiographischen Buch legt Mosab Hassan Yousef, Sohn des Hamas-Mitbegründers Hassan Yousef, Details aus seiner jahrelangen Arbeit für den israelischen Geheimdienst offen und hetzt gegen den Islam. Dabei wird er offenbar auch von evangelikalen Kreisen unterstützt. Von Joseph Croitoru

In seinem autobiographischen Buch legt Mosab Hassan Yousef, Sohn des Hamas-Mitbegründers Hassan Yousef, Details aus seiner jahrelangen Arbeit für den israelischen Geheimdienst offen und hetzt gegen den Islam. Dabei wird er offenbar von evangelikalen Kreisen unterstützt, zu denen auch der amerikanische und der deutsche Verlag zählen, in denen sein Buch erschienen ist. Von Joseph Croitoru

​​ In fundamentalistischen Bewegungen sind Dissidenten die Ausnahme. Dies gilt auch für die palästinensisch-islamistische Hamas. Obgleich der zweiunddreißigjährige Palästinenser Mosab Hassan Yousef offiziell nie zu ihren Mitgliedern gehörte, war sein persönliches Schicksal auf besondere Weise mit der Organisation verknüpft, was ihn am Ende zu einem ihrer erbittertsten und auch bislang schrillsten Gegner werden ließ.

Denn als ältester Sohn und zeitweiliger Assistent des Hamas-Mitbegründers Scheich Hassan Yousef nutzte er seine Position, um als Informant für den israelischen Inlandsgeheimdienst Schabak (Schin Beth) palästinensische Terroristen in der Westbank auszuforschen.

Seit drei Jahren lebt er in den Vereinigten Staaten. Dort erschien Anfang März seine von viel Medienrummel begleitete Autobiographie "Sohn der Hamas"; in diesen Tagen kommt sie in Deutschland auf den Markt. Wie die amerikanische Originalversion (bei Tyndale House Publishers) erscheint auch die deutsche Übersetzung in einem konfessionellen Verlag (SCM Hänssler, Holzgerlingen) - beide Häuser werden zum evangelikalen Verlagsspektrum gezählt.

Diese Wahl ist alles andere als zufällig. Denn das Buch enthält nicht nur die Bekenntnisse eines für die Israelis tätigen palästinensischen Spions. Es ist auch die Geschichte seiner Bekehrung zum Christentum.

Als eifriger Christ zieht Mosab Yousef jetzt öffentlich gegen den Gott der Muslime zu Felde und schimpft Allah einen "Terroristen". Gleichzeitig beruft er sich auf das Gebot der Feindesliebe, das auch seine einstigen Informantendienste rechtfertigen soll.

Lange Schatten des Vaters

Von seinen missionarischen Förderern wird Yousef in das Korsett einer fast typologischen Figur des erfolgreich bekehrten militanten Muslims gezwängt, gut instrumentalisierbar gerade in Zeiten, in denen Konvertiten in umgekehrter Richtung immer wieder als Al-Qaida-Terroristen von sich reden machen.

Wohl deshalb hat der deutsche Verlag das Werk mit dem im englischen Original fehlenden Untertitel "Mein Leben als Terrorist" versehen, der das im Kern humane Motiv der Agentendienste Mosabs fast schon verfälscht: Es sei ihm bei seiner Geheimdiensttätigkeit, durch die zahlreiche Anschläge auf Israel verhindert werden konnten, darum gegangen, unschuldige Menschenleben zu retten - und, wo es ging, auch die Attentäter selbst vor dem sicheren Tod zu bewahren.

Er selber, auch das gibt er immer wieder zu Protokoll, sei kein Terrorist - ebenso wenig sein Vater, der noch nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun könne und der die Selbstmordattentate der Hamas nur auf ihren Druck hin bejaht haben soll.

Auf dem Pamphlet liegt der Schatten des Vaters, dessen Menschenliebe Mosab als verlorener Sohn nach wie vor rühmt. So wird es auch zu einer Verteidigungsschrift gegenüber Vater und Familie, denen sich der Autor immer noch liebevoll verbunden fühlt, obgleich sie ihn mittlerweile zum Verräter erklärt und verstoßen haben.

Das starke familiäre Band zu zerreißen war, so liest man nicht nur zwischen den Zeilen, für den Konvertiten, der ursprünglich - wie schon sein Großvater und Vater vor ihm - eigentlich Imam werden sollte, das Schmerzlichste.

Dieses Bekenntnis soll die Authentizität seiner Bekehrungsgeschichte steigern. Diese Konversion bedarf des obligaten Schlüsselerlebnisses. Hier ist es die Begegnung des Verfassers mit den Schergen der Hamas in einem israelischen Gefängnis.

Die Rolle des Doppelagenten

Dass der bei Ramallah aufgewachsene Junge Mosab als steinewerfendes Intifada-Kind schon einmal eine Entführung durch israelische Siedler glimpflich überstanden hatte, hielt ihn später nicht davon ab, sich in jugendlichem Leichtsinn an der Beschaffung von Waffen zu beteiligen, was ihm Inhaftierung und Folter durch die Israelis einbrachte.

Einer langjährigen Haft konnte er nur entgehen, weil er dem Druck seiner israelischen Vernehmer nachgab und sich bereit erklärte, mit dem Schabak zusammenzuarbeiten.

Mosab Hassan Yousef; Foto: AP
Von seinen missionarischen Förderern wird Mosab Hassan Yousef in das Korsett einer fast typologischen Figur des erfolgreich bekehrten militanten Muslims gezwängt - gut instrumentalisierbar.

​​ Dies geschah angeblich zunächst in der Absicht, den israelischen Dienst als Doppelagent von innen zu bekämpfen. Mehrere Monate im israelischen Megiddo-Gefängnis musste er dennoch verbringen, die ihm die Augen öffneten. Dem Sektor der Hamas-Häftlinge zugeteilt, erlebte er nämlich dort, wie die Islamisten Mithäftlinge folterten, die sie - meist unbegründet - der Kollaboration verdächtigten.

Das Bild jener Güte und Menschenfreundlichkeit, mit dem der damals achtzehnjährige Mosab die Organisation des vergötterten Vaters verband, zerbrach. Dass die Israelis auf eine solche Reaktion spekuliert haben könnten, kommt dem Autor indes nicht in den Sinn. Er glaubt auch heute lieber der Version seines israelischen Führungsoffiziers Loai, die monatelange Haftzeit sei nötig gewesen, um sich nicht als Spion verdächtig zu machen.

Wieder in Freiheit, lieferte Mosab Yousef seinen Auftraggebern, die ihm den Decknamen "Grüner Prinz" gaben und ihm ein Gehalt zahlten, regelmäßig wertvolle Informationen, die längst nicht nur die Aktivitäten der Hamas betrafen.

So gelang es ihm, die Mitbegründer der zunächst undurchschaubaren Terrororganisation "Al-Aqsa-Brigaden" als Mitglieder von Jassir Arafats Leibgarde "Force 17" zu entlarven. Und in zahlreichen anderen Fällen war es (nach seinen eigenen Angaben) ihm zu verdanken, dass geplante Selbstmordanschläge vereitelt und Bombenbauer ausfindig gemacht werden konnten.

Ohne die Identität der Zielpersonen gekannt zu haben, verhinderte der "Grüne Prinz" zudem Attentate auf Schimon Peres und den früheren orientalischen Oberrabbiner Ovadja Josef. Einen Einblick in die internen Abläufe auf der Führungsebene der Islamistenorganisation konnte er allerdings nicht wirklich gewinnen.

So erfuhr er von der Kooperation der Hamas mit der Fatah bei der Inszenierung der "Al-Aqsa"-Intifada eher zufällig, als er seinen Vater zu Treffen mit dem damaligen Palästinenserpräsidenten Arafat begleitete.

Und zu einem weiteren Erkenntnisgewinn über die Funktionsweise der Organisation tragen auch jene vom Autor erwähnten Telefonate nicht bei, die er stellvertretend für den immer wieder inhaftierten Vater mehrmals mit Khalid Meschal, dem Chef des Hamas-Politbüros in Damaskus, geführt haben will.

Die Fatah als Feindbild

Aktivisten der Fatah in Ramallah; Foto: AP
Abscheu vor der säkularen Gegnerin: Mosab Yousef warnt zwar scharf vor der Gefahr der Hamas, hält indes an deren Feindbild von der Fatah fest und zeigt sich so auch heute noch als wahrer "Sohn der Hamas".

​​Selbst der Hamas-Anführer Hassan Yousef soll über die terroristische Infrastruktur der Organisation nur schlecht informiert gewesen sein - dies glaubt jedenfalls sein Sohn, der auch Exklusives über die Untergrundaktivitäten der Islamisten in der Westbank entdeckt zu haben meint: die Tarnung mehrerer Aktivisten als Bürokräfte eines Zentrums für islamische Studien in Ramallah, die ihre Unauffälligkeit nutzten, um Gelder an den militärischen Arm der Hamas zu transferieren.

Dem israelischen Geheimdienst ebenso wie der Autonomiebehörde Arafats allerdings dürfte dies längst bekannt gewesen sein. Indirekt zeugt die Darstellung des Autors, dem kürzlich sein ehemaliger Führungsoffizier gegenüber der Zeitung "Haaretz" ein ungewöhnliches Spionagetalent bescheinigte, eher davon, dass Yousef seine Verdienste als Informant doch etwas überschätzt - dieser Ansicht ist übrigens auch der "Haaretz"-Geheimdienstexperte Yossi Melman.

Zu denken gibt auch, dass Mosab Yousef, mit christlich-missionarischem Ziel, aber nicht wirklichkeitsfremd, zwar scharf vor der Gefahr der Hamas warnt, an deren Feindbild von der Fatah indes festhält. Der Verfasser kann seine Abscheu vor der säkularen Gegnerin kaum verbergen und zeigt sich so auch heute noch als wahrer "Sohn der Hamas".

Entsprechend sieht die Fatah-nahe palästinensische Presse Yousefs Enthüllungsbuch lediglich als einen weiteren Versuch der Israelis, Mahmud Abbas' Organisation als korrupt und als im Volk verhasst zu diskreditieren.

Die Hamas ihrerseits bestreitet, dass Yousef junior je Einblick in ihre Entscheidungsprozesse gehabt haben könnte - und dürfte dabei nicht ganz unrecht haben. Übersetzungen ins Arabische und Hebräische sind, wie der amerikanische Verlag auf Anfrage mitteilte, bereits in Vorbereitung.

Joseph Croitoru

© Qantara.de 2010

Mosab Hassan Yousef: "Sohn der Hamas" Scm Hänssler; Auflage 2010

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de

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