Eine Nigerianerin in Deutschland

Die 26jährige nigerianische Muslimin Aisha Lami Lawal arbeitet in ihrer Heimatstadt Lagos für eine Frauenrechtsorganisation. Im Rahmen ihres Aufenthalts in Frankfurt am Main zeichnet sie ein ungewöhnliches Bild von Deutschland aus einer afrikanischen Perspektive.

Ich bin Aisha Lami Lawal und grüße aus dem Norden Nigerias. Ich hatte Gelegenheit, Praktikantin des diesjährigen "CrossCulture Projekts" zu sein, das vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) organisiert wird. Im Rahmen des Gender-Programmes der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) habe ich im Bereich "Advisory Project Gender" gearbeitet und konnte viele neue Fähigkeiten erwerben. Gleiches gilt für Erfahrungen, die ich für meine Arbeit in Nigeria sammeln konnte, wo ich für das "BAOBAB for Women's Human Rights"-Projekt arbeite.

Ich denke, dass es ohne Kommunikation, sei sie verbal oder nonverbal, keine Verständigung gibt. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass der Aufenthalt reibungslos vonstatten ging, was die Sprache anbetrifft. Trotzdem habe ich diesen "Kampf" mit der Sprache als Herausforderung angenommen.

Besonderem Dank verpflichtet bin ich meiner Kollegin, Frau Ruth Bigalke, die mir bei meinen Sprachkursen eine große Hilfe war und mir ermöglichte, mit ihrem Cousin Malte Wisse die Grundlagen der Sprache zu erlernen, so dass ich mich auch außerhalb des Büros verständlich machen konnte.

Doch nicht nur Malte hat mir sehr geholfen, sondern auch seine Mutter, die mir nicht nur als Sprachlehrerin weiterhalf, sondern auch als Mentorin in Gender-Fragen zur Verfügung stand. Die Sprache hatte immer einen enormen Einfluss auf meine Arbeit, da mich die Sprachbarriere davon abhielt, alle Aufgaben voll zu erfüllen und an allen Meetings teilzunehmen.

Abgesehen davon, dass die Sprache eine große Herausforderung für mich darstellte, verbesserten die interkulturellen und auch inter-religiösen Erfahrungen, die ich machen konnte, meine Kenntnisse über und mein Verständnis für die europäische Gesellschaft enorm.

Deutschland hat eine Gesellschaft, in der Liebe, Harmonie, Respekt für die Rechte des Einzelnen (unabhängig vom Alter) und vor allem harte Arbeit im Vordergrund stehen. Alle Menschen werden als Individuen gesehen, die friedlich zusammenleben.

Natürlich heißt das nicht, dass es nicht auch Probleme gäbe, und doch basiert dieses Zusammenleben insgesamt auf diesen Vorstellungen. Auch die friedliche Koexistenz mit Menschen aus anderen Kulturen ist Teil des Alltagslebens.

Es ist eine Gesellschaft, in der die Verletzung der menschlichen und individuellen Grundrechte geächtet ist und in der Männer und Frauen die gleichen Rechte haben - sei es bei der Arbeit, im Bildungssystem oder anderen Lebensbereichen.

All dies wird vom Grundgesetz rechtlich abgesichert. Es gibt eine sichtbare Zuneigung füreinander, die auf unterschiedliche Art und Weise gezeigt wird. Männer und Frauen haben ihre Rollen und tragen jeweils auf ihre Weise zur Entwicklung der Gesellschaft bei.

Bemerkenswert aber war für mich vor allem, wie sie sich die Arbeit im Haushalt teilen, auch die Erziehung der Kinder zur gemeinsamen Aufgabe zu machen, und dies auch in ihr jeweiliges Arbeitsleben zu integrieren.

Dies ist eine sehr fortschrittliche Entwicklung, verglichen mit den afrikanischen Gesellschaften, in denen patriarchale Strukturen noch immer tief verankert sind und bestimmte Aufgaben allein von Frauen zu erfüllen sind. Auch wenn es nicht bedeutet, dass es in Deutschland keinerlei Ungerechtigkeiten in der Geschlechterfrage mehr gäbe, scheint mir dies nur noch in Ausnahmefällen der Fall zu sein.

Das Verhalten junger Deutscher ist geprägt von Optimismus, Offenheit und dem Geist freien Gedankenaustausches. Sie wollen das Beste aus ihren Möglichkeiten und Chancen machen, sie entwickeln Gedanken entlang den sich ihnen bietenden Perspektiven und untersuchen sorgsam die Risiken, die sich ihnen bei der Umsetzung dieser Ideen in den Weg stellen könnten.

Junge Leute in Deutschland können sehr hilfsbereit sein und bestärken sich gegenseitig in dieser Tugend. Allerdings scheinen ältere Menschen sehr viel reservierter im Umgang mit Ausländern zu sein.

Als jemand, der aus einem Land, in dem der Islam fest etabliert ist und in dem die Interaktion zwischen muslimischen Frauen frei und ungezwungen ist (schließlich sind 50% der nigerianischen Bevölkerung islamischen Glaubens), muss ich sagen, dass das Verhalten muslimischer Frauen in Frankfurt meinen Erwartungen nicht gerecht geworden ist.

Das soll nicht heißen, dass der Islam dort schlecht oder unzureichend ausgeübt würde, doch scheinen die Beziehungen und die Interaktion zwischen den Muslimen (vor allem den muslimischen Frauen) stark zersplittert zu sein.

Vor dem Hintergrund, dass Muslime in Deutschland nur etwa einen Anteil von 3,7% der Gesamtbevölkerung stellen (von denen die meisten Türken, Ägypter und Palästinenser sind), so dass dieser Anteil in Frankfurt vielleicht nur 1,5% beträgt, wäre es doch eine gute Gelegenheit für muslimische Frauen, sich fester zusammenzuschließen und ihre Erfahrungen und Ideen miteinander auszutauschen - sowohl in Bezug auf ihre Familien als auch auf die Entwicklung der Gesellschaft insgesamt.

Es war ziemlich schwierig, eine Moschee zu finden, die auch für Frauen zugänglich ist, da die meisten, wie man mir sagte, den Männern vorbehalten sind. Die einzige, in die ich dann hätte gehen können, stand gerade unter Polizeibeobachtung, nachdem wohl Anschuldigungen aus der Bevölkerung eingegangen waren. Deshalb nahm ich dann auch nicht an den Freitagsgebeten teil.

Wichtig scheint mir aber dennoch, auf die friedliche Koexistenz von Christen und Muslimen in Deutschland hinzuweisen. Das Christentum ist die dominierende Religion in Deutschland, Muslime bilden nur eine relativ kleine Minderheit, und doch können beide Religionen frei ausgeübt werden, und es existiert ein weitgehender Respekt für den jeweils anderen Glauben.

Dies sieht in Nigeria ganz anders aus. Hier stellen die Muslime die Hälfte der Gläubigen, Christen nur 40% und 10% sind anderen Glaubens (Naturreligionen oder Freidenker), und viele Grausamkeiten werden an Frauen und kleinen Mädchen unter dem Deckmantel der Kultur und Religion verübt.

Aisha Lami Lawal

© Aisha Lami Lawal

Qantara.de

CrossCulture Praktika
Professionelles Arbeiten im unbekannten Land
Das Projekt "CrossCulture Praktika" ermöglicht jungen Akademikern und Kulturschaffenden aus Deutschland und islamischen Ländern, die jeweils andere Kultur und Lebensweise kennen zu lernen. Ariana Mirza hat nach persönlichen Motiven, Zielen und ersten Erfahrungen gefragt.

"Schariakratie" in Nigeria
Gratwanderung zwischen Scharia und Menschenrechten
Ein Ziegendieb wird härter bestraft als ein Präsident, der Staatsgelder veruntreut. Durch die Einführung der Scharia habe sich nichts verbessert, so der nigerianische Soziologe und Ökonom Lamido Sanusi im Gespräch mit Lennart Lehmann.

Steinigungsprozess in Nigeria
Freispruch für Amina Lawal
Ein Berufungsgericht in Nigeria hat das Todesurteil durch Steinigung gegen Amina Lawal aufgehoben. Ihr war Ehebruch vorgeworfen worden. Auf dem Prüfstand stand in dem Verfahren auch das "Islamische Recht" Nigerias.

www

  • Webseite der Frauenrechtsorganisation BAOBAB (engl.)
  • Webseite des Instituts für Auslandsbeziehungen
  • Webseite der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit