"Demokratie ist die beste Regierungsform"

Die gute Nachricht lautet: Die Demokratie ist in arabischen Ländern gut angesehen. Die schlechte: Anti-amerikanische Gewalt halten viele Araber angesichts des US-Engagements in der Region für gerechtfertigt - so das Fazit einer Studie. Rainer Sollich stellt die Ergebnisse der Studie vor.

Die gute Nachricht lautet: Die Demokratie ist in arabischen Ländern gut angesehen. Die schlechte: Anti-amerikanische Gewalt halten viele Araber angesichts des US-Engagements in der Region für gerechtfertigt - so das Fazit einer Studie. Rainer Sollich stellt die Ergebnisse vor.

Karte des Nahen Ostens und US-Flagge; Bild: Deutsche Welle
Eine innige, aber dysfunktionale Beziehung: die USA und der Nahe Osten. Der amerikanische Think Tank "Carnegie Endowment for International Peace" hat in sieben arabischen Ländern Befragungen durchgeführt.

​​ Man muss nicht über achteinhalb Tausend Menschen in sieben Ländern befragen, um herauszufinden, dass die meisten Menschen in der arabischen Welt anti-amerikanische Gefühle hegen. Misstrauen, Unzufriedenheit, Kritik und teils auch offener Widerstand sind allein schon wegen der US-Position im israelisch-palästinensischen Konflikt und wegen der amerikanischen Militärpräsenz im Irak offensichtlich.

Von den Medien über die Eliten bis hin zum Mann auf der Straße: Der politische Diskurs in arabischen Ländern ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, fast immer anti-amerikanisch geprägt. Die Studie des amerikanischen Think Tank "Carnegie Endowment for International Peace" fördert jedoch auch neue und teilweise überraschende Erkenntnisse zutage.

Hohes Ansehen der Demokratie

Die private, nicht-gewinnorientierte Organisation fand heraus, dass das amerikanische Engagement für Demokratie, wie es US-Präsidenten George W. Bush im Irak-Einsatz oft hervorgehoben hat, zwar erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe in arabischen Ländern stößt. Dem Ansehen der Demokratie hat es jedoch nicht grundsätzlich geschadet. Im Gegenteil, diese Staatsform ist laut Studie weithin populär in dieser Region – obwohl nur wenige Araber in ihren Heimatländern alle demokratischen Rechte besitzen.

In den sieben untersuchten arabischen Ländern stimmte weit mehr als die Hälfte der Befragten der Aussage zu, dass die Demokratie trotz ihrer etwaigen Probleme besser als jede andere Regierungsform sei.

Arabischer Büchermarkt; Foto: AP
Ein Großteil der arabischen Bevölkerung sieht das US-amerikanische Engagement im Nahen Osten kritisch.

​​ Am höchsten war mit 92 Prozent die Zustimmung in Marokko - also in einem Land, in dem trotz eines vergleichsweise frei gewählten Parlaments und einer zunehmend lebendigen Zivilgesellschaft stets der König das letzte Wort in entscheidenden politischen Fragen hat.

Im Libanon, wo staatliche Macht zwar prinzipiell in freien Wahlen, aber nach einem strengen, den politischen Betrieb oft lahm legenden Proporz zwischen zerstrittenen konfessionellen Gruppen verteilt wird, halten immerhin 82 Prozent die Demokratie für die beste Staatsform.

In Kuwait sind es sogar 85, in den Palästinensergebieten und in Jordanien 79 beziehungsweise 74 Prozent, in Algerien 69 Prozent. Selbst in einem sehr armen, politisch fragilen und stark von traditionellen Stammesloyalitäten geprägten Land wie dem Jemen ist die Demokratie mit immerhin 63 Prozent Zustimmung noch gut angesehen.

Anti-amerikanische Ressentiments

US-Soldaten im Irak; Foto: AP
Rennen keine offenen Türen ein: amerikanische GIs im Irak

​​ Die vom arabisch-amerikanischen Forschungsnetzwerk "Arab Barometer" erhobenen Daten belegen allerdings zugleich eine hohe Sympathie für anti-amerikanische Gewalt: In Algerien, Jordanien, Kuwait und den Palästinensergebieten halten deutlich mehr als die Hälfte der Befragten "bewaffnete Operationen" gegen die USA wegen ihres Engagements in der Region für "gerechtfertigt". Im Libanon sind es laut Studie 37 Prozent. Aus Marokko und dem Jemen liegen zu dieser Frage keine Daten vor.

Die Studie verrät nichts darüber, ob mit "bewaffneten Operationen" ausschließlich Gewalt gegen militärische Ziele gemeint ist oder auch Gewalt gegen amerikanische Zivilisten. Sie gibt aber Auskunft darüber, wo diese Gewalt nach Ansicht der Befragten gerechtfertigt wäre – nämlich "überall". Dieses Ergebnis wird sicherheitspolitisch auch einem zukünftigen US-Präsidenten zu denken geben müssen.

Rainer Sollich

© Deutsche Welle 2008

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