Mit dem Islam gegen die Taliban

Die Obama-Administration sollte sich für den Krieg in Afghanistan die Unterstützung der muslimischen Länder suchen. Dort einen Staat aufzubauen, bedarf einer Legitimation, die die USA nicht bieten können, meint Tomas Avenarius.

Die Obama-Administration sollte sich für den Krieg in Afghanistan die Unterstützung der muslimischen Länder suchen. Dort einen Staat aufzubauen, bedarf einer Legitimation, die die USA nicht bieten können, meint Tomas Avenarius in seinem Kommentar.

Barack Obama zu Besuch bei US-Truppen in Afghanistan; Foto: AP
Strategie mit offenem Ausgang: US-Präsident Barack Obama erhofft sich von der Truppenverstärkung in Afghanistan eine entscheidende Wende im Kampf gegen die Taliban.

​​Wer in der Hochzeit der Taliban-Herrschaft ins afghanische Kandahar reiste, konnte in den Hügeln dort Zelte sehen: Arabische Prinzen zogen zur Falkenjagd. Die Picknicks mit den Raubvögeln auf der behandschuhten Faust zeugten nicht nur von der arabischen Liebe zur Falknerei.

Sie belegten auch, wie gut die saudischen, kuwaitischen und anderen Prinzen und Geschäftsleute sich mit den afghanischen Islamisten verstanden.

Dass die Herrscher vom Golf und ihre Islam-Prediger beste Beziehungen in die Taliban-Führung pflegten und dort regelmäßig vorsprachen, ist inzwischen schon wieder vergessen.

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat nun verkündet, mit welcher Strategie er dem gegenwärtigen Chaos in Afghanistan Herr werden möchte: 30.000 frische US-Soldaten werden in kürzester Zeit verlegt, die afghanischen Sicherheitskräfte aufgerüstet.

Vom Wunschdenken einer afghanischen Armee

Das überzeugt nicht. Obamas Festlegung auf einen Abzugsbeginn im Jahr 2011 lädt die Taliban ein, die amerikanische Offensive in den Höhlen von Tora-Bora auszusitzen (Zeit ist neben Opium das Einzige, was das Land produziert). Auch der Aufbau der afghanischen Armee entspricht Wunschdenken.

Das Ende der Sowjet-Besatzung 1989 und das anschließende Desaster haben gezeigt, was für eine Streitkraft diese Truppe ist: Die Soldaten warfen die Waffen weg, sobald der Feind zu sehen war. Obamas Armeemodell kann nur funktionieren, wenn parallel dazu ein Staat entsteht, dem sich die Soldaten verpflichtet fühlen. Das wird aber nicht geschehen.

Einheiten der Nato-Truppe in Kandahar; Foto: AP
Die Nato und ihre Partnerländer wollen im kommenden Jahr mit einer massiven Truppenaufstockung den Durchbruch im Kampf gegen die Taliban am Hindukusch schaffen.

​​ In einem allerdings hat der US-Präsident recht: Sein Militär kann in Afghanistan kein nation-buildung betreiben (von Demokratisierung und Rechtsstaat sprechen nur noch Berufsidealisten).

Dort einen Staat aufzubauen, bedarf einer Legitimation, die die USA nicht bieten können. Afghanistan ist ein islamisches Land. Andere sind dort glaubwürdiger – Saudi-Arabien, Indonesien, die Türkei. Muslimische Mitsprache würde den Taliban das Hauptargument nehmen: dass ungläubige Besatzer den Islam mit ihren Militärstiefeln zertreten.

Unterstützung durch die muslimische Welt

Natürlich leisten die Muslim-Staaten Aufbauhilfe. Sie finanzieren Kliniken, bauen Schulen, die Türken sind Teil der Nato-Truppe. Was aber fehlt, ist echte politische Einflussnahme.

Die alten Kanäle der Saudis reichen bis in die Taliban-Führung hinein. Riad hat in den achtziger Jahren jene anti-sowjetischen Gotteskrieger finanziert, die erst später zu Taliban mutierten. Und das vorübergehende Ende des afghanischen Bürgerkriegs vermittelte ein Algerier, Lakhdar Brahimi.

Zugegeben: Mehr Einfluss für bestimmte islamische Staaten ist riskant. So haben radikale Wahhabi-Prediger aus Saudi-Arabien die Gotteskrieger und später die Taliban ideologisch aufgerüstet.

Terror und falsch verstandene Religion bedrohen die Saudis inzwischen aber selbst: Auch in Riad explodierten al-Qaida-Bomben. König Abdullah hat deshalb einen moderateren Kurs eingeschlagen.

Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg; Foto: AP
Afghanistan würde durch den Einfluss anderer islamischer Staaten gewiss anders aussehen als das Land, von dem 2001 auf dem Bonner Petersberg phantasiert wurde. Zum demokratischen Vorbildstaat wird es sich ohnehin nicht entwickeln, so Avenarius.

​​Natürlich würden sich Prioritäten verschieben: Afghanistan würde anders aussehen als das Land, von dem 2001 auf dem Bonner Petersberg phantasiert wurde. Aber zum demokratischen Vorbildstaat wird das Land der Burkas und Gotteskrieger ohnehin nicht werden.

Möglicherweise würde mehr globo-muslimische Mitsprache dafür den Umgang mit Pakistan erleichtern. Dessen Durchstecherei in Afghanistan ist kein Liebesbeweis für die Taliban. Sie erklärt sich aus der Furcht vor dem Nachbarn Indien – als Ausfallschritt in den afghanischen Hinterhof.

Islamische Regierungen geißeln gern die globale Verwestlichung, verweisen auf die eigene Kultur und Menschenzahl, fordern Mitsprache. Warum nicht?

Der Westen bekommt Afghanistan allein nicht in den Griff. Und die islamischen Staaten sollen beweisen, dass sie unter Berufung auf ihre Kultur politisch Produktives leisten wollen.

Tomas Avenarius

© Süddeutsche Zeitung 2009

Tomas Avenarius ist langjähriger Nahostkorrespondent der Süddeutschen Zeitung mit Sitz in Kairo.

Qantara.de

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