Ein Erklärungsversuch

Terrorismus kann nicht mit militärischen Mitteln bekämpft werden, sondern nur durch die zuständigen Sicherheitsorgane – und die bessere Integration der muslimischen Minderheiten, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

Flughafen Heathrow; Foto: AP
Der Flughafen von Heathrow: Haben die britischen Sicherheitskräfte eine Katastrophe verhindert?

​​"Wir leben in einer gefährlichen Welt" – so das Resümee von US-Präsident George W. Bush angesichts des Großalarms im Londoner Flughafen Heathrow und in den USA: Britische Sicherheitsbehörden wollen einen geplanten Großangriff auf mehrere Transatlantik-Flüge aufgedeckt haben, bei dem – wenn es dazu gekommen wäre – möglicherweise so viele Opfer zu beklagen gewesen wären wie am 11. September 2001.

Man hatte damit rechnen müssen, dass mit Herannahen des fünften Jahrestages der Angriffe in Manhattan die Gefahr neuer Terroranschläge steigen würde. Denn der von Washington ausgerufene und weltweit betriebene "Krieg gegen den Terror" hat diesem Unwesen kein Ende bereiten können. Präsident Bush verkündet zwar, man sei in den USA heute sicherer als noch vor fünf Jahren, aber er räumt ein, dass diese Sicherheit noch nicht vollkommen sei.

Das ist sie in der Tat nicht. Im Gegenteil: Seitdem Bush den – wie er sagt – "islamischen Faschisten" den Krieg erklärt hat, hat der Terrorismus auf Länder übergegriffen, wo er zuvor unbekannt war.

Das krasseste Beispiel ist sicher der Irak, aber auch in Afghanistan sind nicht Ruhe und Frieden eingekehrt. Und auch Europa hat – in Madrid und London – erste böse Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln müssen.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Zuversicht des Präsidenten wie Hohn, man sei dabei, den Terrorismus unter Kontrolle zu bringen. Aber es bringt nichts, sich mit dem Zweckoptimismus von George W. Bush auseinanderzusetzen.

Wir müssen uns – in Europa und anderswo auf der Welt - verstärkt auf verschiedenen Ebenen um das Problem kümmern: Einmal natürlich der Ebene der Sicherheitsdienste, die verhindern müssen, dass wieder Unschuldige zu Schaden kommen.

Dann aber auch auf der Ebene der westlichen Gesellschaften, die – besonders in Europa und da ganz besonders in Großbritannien – ihre Probleme mit ihren muslimischen Minderheiten haben: Diese sind schlecht integriert, werden misstrauisch beäugt und fühlen sich zusehends zurückgesetzt. Der beste Nährboden für schwache Geister, sich für solche empfundene Ungerechtigkeit zu rächen.

Schließlich kommt die internationale politische Lage hinzu, gerade jetzt, wo Israel im Libanon und in Gaza Krieg führt und scheinbar uneingeschränkte Rückendeckung der USA und der Briten genießt. Und wo auch die anderen westlichen Staaten tagtäglich ihre Unfähigkeit demonstrieren, dem Blutvergießen Einhalt zu gebieten.

Das Bild ist grob vereinfacht und falsch, aber doch weit verbreitet in der islamischen Welt und unter Muslimen in Ländern wie Großbritannien: Dass dies nämlich ein Krieg gegen den Islam sei. Nur so lässt sich erklären, wie aus scheinbar unbescholtenen Mitbürgern plötzlich "Dschihadisten" werden – Kämpfer des "Heiligen Krieges".

Nun können die aufgezeigten Probleme nicht in Tagen oder Monaten gelöst werden. Auch die fünf Jahre seit dem 11. September haben dazu nicht gereicht. Aber man hat sich im Westen wohl zu sehr von den Parolen aus Washington leiten lassen und geglaubt, Terrorismus mit militärischen Mitteln besiegen zu können. Eine grobe Fehleinschätzung, deren fatale Folgen jetzt auch Israel im Libanon zu spüren bekommt.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE 2006