Der Asterix von Bergama

Seit mehr als zehn Jahren kämpft Oktay Konyar an der Spitze einer Bürgerinitiative gegen den geplanten Abbau von Goldreserven. Bisher konnten er und seine Mitstreiter den Goldabbau verhindern. Susanne Güsten berichtet.

Goldene Armreifen; Foto: Larissa Bender
Goldschmuck ist in der Türkei sehr beliebt, doch der Abbau des Goldes ist mit Gefahren für die Bevölkerung verbunden

​​Nicht nur wegen seines buschigen Schnauzbartes wird Oktay Konyar häufig mit dem Comic-Helden Asterix verglichen. Wie der kleine Held der Gallier, der gegen das römische Weltreich kämpft, hat sich der 61-jährige Olivenbauer in der Türkei gegen übermächtige Gegner gestellt: internationale Konzerne und die türkische Regierung.

Türkischer Asterix im Kampf gegen Behörden

Und wie Asterix ist Konyar damit erfolgreich, trotz aller Widerstände. Bisher haben Konyar und seine Mitstreiter den Goldabbau verhindern können. Entgültig gewonnen ist die Auseinandersetzung aber noch lange nicht.

Zuerst dachten viele Bewohner der Region rund um Bergama, das antike Pergamon, an Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung, als das Unternehmen Eurogold Anfang der neunziger Jahre von der türkischen Regierung die Genehmigung zum Goldabbau in ihrer Region erhielt. Doch schon kurze Zeit später schlug die Hoffnung in Angst um, weil bekannt wurde, auf welche Weise das Edelmetall abgebaut werden sollte:

Eurogold wollte das Gold mit hoch giftiger Zyanidlauge aus dem Erdreich lösen. Die Bauern in den Dörfern um die Mine in der Ortschaft Ovacik fürchteten um ihre Gesundheit, um ihre Kinder und um ihre Olivenbäume. In Rumänien tötete der Schlamm aus einem Zyanid-Goldbergwerk vor fünf Jahren alle Lebewesen in einem nahen Fluss.

Orientierung an Ghandi

In Bergama setzte sich Konyar als linker Lokalpolitiker an die Spitze der Bewegung. Er organisierte Protestmärsche der Bauern, für die Demonstrationen anfangs etwas völlig Unerhörtes waren. Der Asterix von Bergama orientierte sich an Gandhi und den Prinzipien des zivilen, gewaltlosen Ungehorsams. Seine Gegner bei Eurogold warfen ihm vor, er wolle sich auf Kosten des Unternehmens profilieren und seine politische Karriere vorantreiben.

Gleichzeitig begann der lange Kampf gegen Eurogold vor den türkischen Gerichten. Im Laufe der Jahre wurden die Bauern von Bergama mit ihrem Widerstand und ihren öffentlichkeitswirksamen Aktionen in der ganzen Türkei bekannt.

In Istanbul besetzten sie eine der Autobahnbrücken über den Bosporus, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen; bei vielen Demonstrationen marschierten die Männer mit entblößtem Oberkörper, um ihre nackte Verzweiflung zu zeigen.

Schon bald stellte sich jedoch heraus, dass "Asterix" und seine Mannen es nicht nur mit Eurogold zu tun hatten, sondern auch mit der türkischen Regierung. Selbst als das Oberste Verwaltungsgericht 1997 in letzter Instanz den Bauern recht gab, verschwand die Goldmine nicht. Das Kabinett in Ankara, das sich um das Vertrauen dringend benötigter ausländischer Inverstoren in der Türkei sorgte, versuchte nach Kräften, die Schließung des Bergwerks zu verhindern.

Streit zieht internationale Kreise

In neuen Gutachten ließ sich die Regierung bestätigen, dass von dem Bergwerk keine Gefahr für die Umwelt ausgehe. Auch Hinweise der Gold-Gegner auf die Erdbebengefahr wurden vom Tisch gewischt. Konyar bekam unterdessen zu spüren, dass er den Behörden auf die Nerven ging; unter dem Vorwurf, eine illegale Organisation gegründet zu haben, wurde er vorübergehend festgenommen.

Auch international zog der Streit um Bergama Kreise. Ende 2002 mussten Vertreter deutscher Stiftungen in der Türkei – darunter die Adenauer- und die Ebert-Stiftung - vor Gericht erscheinen. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, die Bauern von Bergama zum Protest gegen den Goldabbau angestiftet zu haben, um der Türkei zu schaden. Das Verfahren wurde nach kurzer Zeit eingestellt.

Vor Ort mussten Konyar und seine Mitstreiter gegen immer neue Versuche kämpfen, den Bergwerksbetrieb mit Zyanid trotz aller Gerichtsentscheidungen aufzunehmen. So protestierten die Dorfbewohner 1999 dagegen, dass 18 Tonnen Zyanid auf das Bergwerksgelände bei Ovacik gebracht wurden.

Behörden geben nicht auf

Nach neuen Protesten wurde das Gift wieder abtransportiert. Dennoch konnte das australische Unternehmen Normandy Mining als Nachfolgerin von Eurogold in Bergama zwischenzeitlich Gold gewinnen, wenn auch nicht sehr lange. Derzeit wird im Bergwerk nicht gearbeitet.

Der juristische Streit um Bergama dauert allerdings noch immer an. Der Gouverneur der westtürkischen Provinz Izmir ließ zwar im vergangenen Jahr die Gerätschaften im Bergwerk versiegeln. Gleichzeitig betonten die Behörden aber, die Bemühungen um eine neue Genehmigung für den Goldabbau würden fortgesetzt.

Normandy Mining fusionierte vor drei Jahren mit Newmont Mining, dem weltweit führenden Unternehmen im Goldabbau. Inzwischen erwägt eine türkische Firma den Kauf der Mine – allein dieses Kaufinteresse zeigt, dass aus Sicht der Abbau-Befürworter das letzte Wort in der Goldsaga noch nicht gesprochen ist.

Das glaubt auch Oktay Konyar. "Sie werden es wieder versuchen", sagt er über seine Gegner. "Denn wenn wir siegen, wenn das Volk siegt, wird das ein Beispiel für die ganze Türkei sein." Es wird also neue Auseinandersetzungen um das Gold von Bergama geben, da ist Konyar sicher. Anders als noch vor zehn Jahren muss er nun aber keine Kampfgefährten mehr suchen.

Rund 10.000 Menschen sind Mitglied in der Bürgerinitiative von Bergama, und sie sind guter Dinge, wie Konyar sagt: "Die Stimmung bei uns ist gut. In der Geschichte der Türkischen Republik haben wir es geschafft, dass zum ersten Mal das Volk gewonnen hat."

Dem Gold-Unternehmen und den staatlichen Behörden traut der Asterix von Bergama nach wie vor nicht über den Weg. Zu oft hat er erlebt, dass Gerichtsentscheidungen ignoriert wurden. "Wir haben Wachen am Bergwerk aufgestellt", sagt Konray. "Die behalten das Gelände rund um die Uhr im Auge." So soll verhindert werden, dass eines Tages plötzlich doch wieder Gold ausgewaschen wird: "Jeden Tag und jede Stunde sind wir auf der Hut."

Susanne Güsten

© Qantara.de 2005

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