Dialog - jetzt erst recht!

Trotz verhärteter Fronten und Mauerbau halten israelische und palästinensische Frauen von "Jerusalem Link" am friedlichen Dialog fest. Henriette Wrege stellt zwei Friedensaktivistinnen des Projekts vor.

Foto: Jerusalem Link
Initiatoren von "Jerusalem Link"

​​Frauen haben im politischen Prozess zwischen Israelis und Palästinensern bislang kaum eine Rolle gespielt. Zumindest zwei von ihnen wollen das jetzt ändern, die eine kommt aus Israel, die andere ist Palästinenserin: Sama Aweida und Naomi Chazan

Not und Armut nehmen in Palästina immer mehr zu. Viele ernähren sich nur noch von Brot und Tee, sagt Sama Aweida. Sie ist Generalkoordinatorin des Aisha Arab Women's Forum, einem Netzwerk, in dem sich Vertreterinnen aus acht arabischen Ländern gemeinsam für die Rechte arabischer Frauen einsetzen und deren Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen fördern wollen.

Die Lage im Nahen Osten beschreibt sie als ausweglos. Die Grenzmauer, die die israelische Regierung gerade errichten lässt, zerstöre jede Hoffnung. "Für uns ist die Mauer ein Desaster", meint Aweida, "es ist das Schlimmste, was die Israelische Regierung den Palästinensern antun konnte."

Auf Ungerechtigkeiten aufmerksam machen

Das Szenario erinnere sie an das Apartheidsystem in Südafrika. Dort wurden sogenannte Homelands oder Bantustans für die schwarze Bevölkerung geschaffen, die vollkommen abgeschnitten waren vom Rest der Welt. Diese "Bantustanisierung" scheine Premierminister Sharon vorzuschweben, wenn er von einem palästinensischen Staat spricht, so Sama Aweida.

Sie will auf die immer neuen Ungerechtigkeiten aufmerksam machen. Gleichzeitig arbeitet die Direktorin des Women's Studies Center in Jerusalem unermüdlich weiter mit israelischen Friedensaktivistinnen zusammen - so auch mit Frauen wie Naomi Chazan.

Jerusalem Link ist das Koordinierungsgremium zweier unabhängiger Frauenzentren: "Bat Shalom—The Jerusalem Women's Action Center", das sich in West Jerusalem befindet und das "Markaz al-Quds lil-Nissah—The Jerusalem Center for Women" in Ost-Jerusalem. Naomi Chazan ist Professorin für Politikwissenschaft an der Hebrew University in Jerusalem und Mitglied der links-demokratischen Meretz-Partei: "Israelische und palästinensische Frauen arbeiten seit vielen, vielen Jahren zusammen. Zum Beispiel über Jerusalem Link. Das ist die Dachorganisation, in der das palästinensische Jerusalem Center for Women und das israelische Pendant "Bat Shalom" zusammenarbeiten, ebenso wie die Frauenorganisation "Coalition of Women for a Just Peace".

Dialog in Gang gebracht

"Ich denke unser größter Erfolg war, dass wir den Dialog unter uns in Gang gebracht haben. Wir Frauen waren die ersten Israelis und Palästinenser, die miteinander geredet haben", sagt Aweida. Die beiden kennen sich seit 15 Jahren. Allerdings müssen sich Sama Aweida und Naomi Chazan die bittere Erkenntnis eingestehen, dass die Frauen es in all den Jahren nicht geschafft haben, bei den Friedensverhandlungen und den Bemühungen um eine Lösung des Nahost-Konflikts eine Rolle zu spielen. Ihre Forderungen nach Teilnahme an den Verhandlungen verhallt immer wieder ungehört.

Selbst nach dem die Vereinten Nationen im Oktober 2000 die Resolution 1325 verabschiedeten, die eine Beteiligung von Frauen bei Friedensverhandlungen vorsieht. Der Ausschluss der Frauen von den Verhandlungen hat zur Folge, dass sie auch in Friedensplänen wie der "Roadmap" nicht vorkommen.

Die "Roadmap" als halbherzige Friedensinitiative

Aweida kritisiert, dass - laut "Roadmap" - die Palästinenser ihre Verfassung ändern müßten, um die Gewalt zu beenden. "Es ist so, als wenn wir für alle Gewalttätigkeiten in der Region allein verantwortlich wären. Alle Palästinenser hatten keinen Platz auf der "Roadmap" und deshalb auch die Frauen nicht. Ich glaube die "Roadmap" war ein Schnellschuss. Nichts würde sich ändern, alle würden weiter machen wie bisher, ohne Aussicht auf eine Lösung", so Aweida. Dagegen hofft sie, dass die vergangene "Genfer Friedensinitiative" doch mehr Erfolg haben wird.

An der "Genfer Friedensinitiative" zur friedlichen Beilegung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern wurde seit langem mit Hochdruck gearbeitet. An Gesprächen in der Schweiz nahmen inoffiziell auch Diplomaten aus Norwegen, der Europäischen Union und Japan teil. Mitbegründer der Initiative sind der ehemalige israelische Justizminister Jossi Beilin und der ehemalige palästinensische Informationsminister Yassir Abed Rabbo.

Hoffnungsträger "Genfer Friedensinitiative"

Auch für Naomi Chazan ist die "Genfer Friedensinitiative" der einzig gangbare Weg: "Die Frauen gehen weiter auf dem Weg, der in Oslo begonnen wurde, der auch mit der "Roadmap" eingeschlagen wurde und der sehr klar in der jetzigen Genfer Friedensinitiative vorgegeben wurde: eine 2-Staatenlösung, in den Grenzen von 1967, einer Hauptstadt für die beiden Staaten in Jerusalem, dem Rückbau der Siedlungen, Sicherheitsvorkehrungen für alle Seiten und einer Lösung des Flüchtlingsproblems."

Wobei die Genfer Friedensinitiative keine Rückkehrrecht der Flüchtlinge vorsieht. Diese Friedensinitiative unterscheidet sich in vielen Punkten von den vorhergehenden. Sie wurde von den Betroffenen selbst ausgehandelt und sie soll einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

Die Friedensinitiatoren starteten bereits Mitte November in Israel eine landesweite Kampagne. In rund 2 Millionen Exemplaren wurde der Text an israelische Haushalte versandt und in israelischen Zeitungen veröffentlicht.

Henriette Wrege, &copy DEUTSCHE WELLE / DW-WORLD.DE 2003

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