Zeitungen sterben - Internet boomt

Iran gilt nach einem Bericht von "Reporter ohne Grenzen" von 2003 als "das größte Journalistengefängnis im Nahen Osten". Doch einige Journalisten sind optimistisch - wegen des Internets.

Iranerinnen im Internet Café, Foto: AP

​​Themen wie Religion, Sex und Irans Verhältnis zu den USA sind immer noch ein Tabu für die Medien des Landes. Im September 2002 beispielsweise empörte eine von der offiziellen Nachrichtenagentur IRNA veröffentliche Umfrage die politischen Hardliner, der zufolge mehr als zwei Drittel der Iraner eine Wiederaufnahme der Gespräche mit den USA befürworteten. Erst am Vortag hatte ein führendes Regierungsmitglied eine flammende Rede gegen Amerika gehalten.

Dennoch: Viele iranische Journalisten sehen optimistisch in die Zukunft. "Ich denke, da hat sich ein neuer Weg eröffnet", sagt die Journalistin Nasrin Bassiri, "unabhängig davon, ob Präsident Chatami und andere Leute im Land das wollen oder nicht. Die offenere Tendenz wird weitergehen, die Iraner sind jetzt geweckt. Man kann diese Bewegung, die schon angefangen hat, nicht mehr rückgängig machen."

Jugend und Frauen entdecken das Internet

Auf diese Entwicklung hatte und hat das Internet zunehmenden Einfluss. Schon seit 1994 sind im Windschatten des staatlich kontrollierten Internet-Zugangsanbieters DCI mehrere private Internet Service Provider (ISP) entstanden. Allein in Teheran soll es im vergangenen Jahr rund 1500 Internet-Cafés gegeben haben. Nicht nur Journalisten nutzen immer häufiger diesen Weg, um frei und unzensiert ihre Meinung zu äußern und Reformen anzumahnen.

In den vergangenen zwei Jahren starteten vor allem Jugendliche und Frauen eigene Webseiten wie "Zanan Iran" und nutzten persönliche Seiten und digitale Tagebücher (Weblogs) zum oft anonymen Meinungsaustausch.

Kontrolle und Propaganda

Analog zur wachsenden Beliebtheit des Internets in der Bevölkerung bemühte sich die Regierung allerdings um dessen Kontrolle. So benötigten alle privaten ISP eine ministerielle Arbeitserlaubnis, mussten Filter für bestimmte Webseiten und E-Mail-Inhalte benutzen und ihre User mussten schriftlich erklären, keine "nicht-islamischen" Seiten zu besuchen. Webseiten, die nicht bis Ende 2001 unter staatlicher Kontrolle standen, wurden geschlossen. Alle ISP erhielten eine Liste mit knapp 300 Webseiten - vor allem Nachrichtenportale - zu denen der Zugang verhindert werden sollte.

Allerdings: Das Misstrauen, das die Regierung Irans dem Internet entgegenbringt, scheint nicht groß genug, um es nicht trotzdem für die eigene Propaganda nutzen zu wollen. Mehrere Tausend Studenten werden beispielsweise jährlich in Qom - der zentralen Ausbildungsstätte der schiitischen Geistlichkeit - an Computer und Internet trainiert, um ihr Wissen später "in den Dienst des Landes und des Islam" zu stellen.

Lydia Heller

© 2003, DW-online