Tagebücher aus Bagdad

Vier Korrespondenten berichteten aus Bagdad für deutsche Fernsehsender, drei von ihnen haben ihre Erfahrungen bereits zu Papier gebracht, der vierte will im Herbst nachziehen. Peter Philipp von der Deutschen Welle stellt zwei der bisher erschienenen Bücher vor.

Olympische Spiele oder Kriege – wann immer Ereignisse weltweite Anteilnahme erwecken, dann ist das "Buch zum Film" nicht weit. Journalistische "Schnellschüsse" meist, die darauf abzielen, das noch wache Publikumsinteresse gewinnbringend zu verwerten. So auch jetzt beim Irak-Krieg: Vier Korrespondenten berichteten aus Bagdad für deutsche Fernsehsender, drei von ihnen haben ihre Erfahrungen bereits zu Papier gebracht und der vierte will im Herbst nachziehen. Zwei der bisher erschienenen Bücher sollen hier vorgestellt werden.

Menschliche Betroffenheit

"Ich habe die Bombennacht von Freitag auf Sonnabend noch in den Knochen. Das sitzt tief im Körper drin ... Es ist richtig Krieg, es ist kein Computerspiel mehr. Es ist tragisch, mit Verletzten und Toten. Einfach unfassbar". Zitat aus "Mein Bagdad Tagebuch" von Stefan Kloss, der während des Irak-Krieges für das "Erste Deutsche Fernsehen" aus Bagdad berichtete.

Menschliche Betroffenheit, die auch einem Korrespondenten gut ansteht. Aber auch einem, der auszog, um über den Krieg zu berichten? Und die sich dann unter anderem in Betrachtungen ausdrückt wie "… die Leute haben Angst, dass der Strom ausfällt. Wenn das Wasser knapp wird, können Seuchen ausbrechen". Man wird den Eindruck nicht los, dass hier Gedanken aufgezeichnet wurden, die einem sicher in solchen Situationen durch den Kopf schießen, die aber Wochen später einem Leser kaum etwas vermitteln. Selbst, wenn sie als Tagebuch präsentiert werden.

Der Grund hierfür dürfte darin liegen, dass der Autor während der Kriegstage gar nicht dazu kam, mehr als solche Alltagsbetrachtungen und -Überlegungen zu Papier zu bringen. Oder sie einfach per Telefon nach Deutschland durchzugeben. Dass dies nicht reichen würde für ein ernsthaftes Buch über den Krieg, das muss auch der Autor gespürt haben. Und so fügt er Hintergründe und historisch-politische Erklärungen ein, die aber ganz offensichtlich hinterher zusammengetragen wurden und die sich nicht auf Fakten beschränken. So wird der Autor nicht müde zu wiederholen, dass es sich hier um einen völkerrechtswidrigen Krieg gehandelt habe und beim Versuch, Neues aus der Vorgeschichte des Krieges zu bringen, muss er passen: Offizielle Bestätigung habe es dafür vor Drucklegung des Buches nicht gegeben.

Einblicke ins Mediengeschäft

​​Der Druck muss stark gewesen sein, möglichst schnell auf dem Büchermarkt zu erscheinen. Auch bei Christoph Maria Fröhder ist das noch etwas zu spüren, auch er berichtete für die ARD.

"Ein Bild vom Krieg – Meine Tage in Bagdad" greift deswegen etwas in die Trickkiste und vermengt Erlebnisse aus diesem mit solchen aus dem letzten Krieg, 1991. Aber ganz offensichtlich, dass hier einer mit reicher Erfahrung spricht, auch was die historischen Hintergründe des Konflikts betrifft. Einer, der sich nicht erst selbst etwas beweisen muss und der keine Hemmungen hat, offen und kritisch über die Arbeitsbedingungen von Korrespondenten in solchen Situationen zu berichten: Welche Hürden es zu überwinden galt, um überhaupt erst nach Bagdad zu gelangen, welche Beschränkungen es dann dort gab und mit welchen Tricks man oft arbeiten musste, um dann doch die Restriktionen zu umgehen und ein möglichst realistisches Bild zu gewinnen.

Ausgespart werden auch nicht kritische und gelegentlich bissige Bemerkungen über die heimischen Probleme bei der Entsendung von Korrespondenten. Seltene Einblicke in diese dem Publikum sonst verschlossene Abteilung des Mediengeschäfts. Sicher auch dann noch lesenswert, wenn die Geschichte den journalistischen Schnellschuss, das "Buch zum Krieg", längst überholt haben wird.

Peter Philipp

© 2003, DW-online